Interview mit Heiko Reinhold
K. Mette: Der nächste Forumstag steht unter dem Motto "Angst in Hoffnung verwandeln". Du lieber Heiko, hast Dich gerade näher mit einem Thema beschäftigt, das meinem Eindruck nach etwas mit diesem Motto zu tun hat, nämlich mit der Apokalyptik. Was ist "Apokalyptik" und wo siehst du Verbindungslinien zum Motto "Angst in Hoffnung verwandeln"?
H. Reinhold: Die Apokalyptik wird oftmals mit Weltuntergangsszenarien in Verbindung gebracht. Bekannt sind vor allem "Die vier apokalyptischen Reiter" von Albrecht Dürer. Dieses Motiv stammt aus der Bibel, aus dem Buch der Offenbarung. Und damit ist schon ein wesentlicher Aspekt angesprochen, denn das griechische Wort "Apokalypse" heißt "Enthüllung" oder "Offenbarung".
Die Apokalyptik will nicht Angst machen, sondern liefert eine Deutung der Gegenwart, verbunden mit einem hoffnungsvollen Ausblick. Sie entstand in Zeiten der Unsicherheit, Verfolgung und Unterdrückung und verweist auf andere, von Gott gesetzte Realitäten.
Wenn die Apokalyptik keine Angst machen will, wozu bietet sie dann solche Schreckensgestalten wie die "apokalyptischen Reiter" oder Bilder von kosmischen Katastrophen auf?
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Dafür kann es aus meiner Sicht ganz unterschiedliche Begründungen geben:
Die Apokalyptik arbeitet grundsätzlich mit dualistischen Motiven - also dem Widerspruch zwischen gut und böse, gerecht und ungerecht, Himmel und Hölle. Dass dafür in Wort und Bild sehr drastische Ausdrucksformen verwendet werden, ist schon in der Bibel erkennbar. Schließlich geht es darin um Leben und Tod. Bei Künstlern wie Hieronymus Bosch, einem Zeitgenossen Dürers, ist gut erkennbar, dass auch die Fantasie enorm angeregt wurde. Ich möchte aber auch daran erinnern, dass die Erfahrungen vergangener Jahrhunderte wie Christenverfolgung, Folter, Naturkatastrophen, Pest und Kriege für viele Menschen die grausame Lebenswirklichkeit darstellten. Dazu kamen unerklärliche Phänomene, "himmlische Zeichen" wie zum Beispiel Kometen. Und nicht zuletzt musste manches in Bildern verschlüsselt werden, was nicht offen gesagt werden durfte. Leider fehlt uns an manchen Stellen der Code, um diese Bilder zu entschlüsseln.
Könnte man also sagen, dass die Apokalyptik den Menschen gar nicht in erster Linie Angst machen will, sondern eher die vorhandene Angst aufgreift und in drastischen Bildern verdichtet, um dann innerhalb der von ihr aufgebauten Vorstellungswelt ein starkes Hoffnungsbild gegen die Angst setzen zu können? Kannst Du dafür ein Beispiel geben?
Ich vermute, dass die bedrohlichen Bilder immer stärker wirkten - wohl auch, weil diese eher vorstellbar waren als himmlische oder paradiesische Zustände. Dennoch ist es manchmal gerade die Unvorstellbarkeit, die kraftvolle Bilder produziert - etwa wenn davon die Rede ist, dass sich die Gräber öffnen und die Toten auferstehen. Die Christenheit nimmt das auf und interpretiert stellenweise neu: "Seid fröhlich in Hoffnung" - Paulus schreibt mehrfach von der Hoffnung, um den Gemeinden nicht nur eine bessere Zukunft zu verheißen, sondern auch klarzustellen, wer (jetzt und ewig) der Herr der Geschichte ist. Was wäre unser Bekenntnis wert, wenn Glaube, Hoffnung, Liebe nur Floskeln wären? Es gibt aber auch noch eine andere Bedeutung: Apokalypse wird auch mit "Erleuchtung" gleichgesetzt und kann in diesem Fall heißen "Wir haben verstanden". Frei übertragen auf die Neuzeit und die Debatten um Kriege, Klimawandel und Naturkatastrohen könnte sich die Schlussfolgerung ergeben "Wir haben verstanden, was wir jetzt tun müssen, damit wir nicht selbst für den Weltuntergang verantwortlich sind." Für mich hat auch das viel mit Glaube, Hoffnung, Liebe zu tun.
Vielen Dank!
Übrigens: "Sie können Heiko Reinhold mit dem Vortrag 'Apocalypse now?' gern in Ihre Gemeinde einladen.
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