Der sächsischen Landeskirche steht nach Aussage des Präsidenten der Landessynode eine Klärung bevor - nämlich zu bestimmen, wo die Grenze zwischen rechtsradikal und wertkonservativem Christentum liegt.
Der Begriff “rechtsradikal“ macht mir dabei keine Schwierigkeiten.
Es wird ja täglich auf den Straßen Sachsens und Deutschlands und in den Parlamenten durch die AfD demonstriert, was darunter zu verstehen ist. “Wertkonservatives Christentum“ - da ist die Bestimmung ungleich schwieriger. Wenn es ein wertkonservatives Christentum sein solle, so müsste es sich - so scheint es - nicht an den Traditionen der Kirche orientieren, sondern vielmehr an Jesus Christus selbst und seinem Evangelium.
So hat - bei allem, was noch zu ihm zu sagen ist - Martin Luther ein wertkonservatives Christentum verstanden. Und das ganz im Sinne eines päpstlichen Wortes: “Christus spricht: Ich bin die Wahrheit. - nicht: Ich bin die Gewohnheit!“ Wertkonservativ im Sinne Jesu Christi & seines Evangeliums - was heißt das etwa im Blick auf Migrationspolitik?
Es ist die Überzeugung der Kirche gewesen, dass in allen Fremdlingen Jesus Christus selbst zu uns kommt. “Ich bin ein Fremdling gewesen & ihr habt mich aufgenommen.“ Und wenn es auch erbärmlich und jämmerlich wäre, Menschen nur aufzunehmen, weil wir glauben, dass Jesus in ihnen zu uns kommt (In der Erzählung Jesu wissen es die Gerechten nicht, dass es Christus selbst ist.), wäre es doch christlich wertkonservativ, der CDU in Sachsen ihre unbarmherzige und unchristliche Flüchtlingspolitik permanent vorzuhalten.
Wertkonservativ im Sinne Jesu Christi und seines Evangeliums - was heisst das etwa im Blick auf Heimat, Patriotismus und Nationalismus? Ein einfacher Blick in die Bibel zeigt, dass die Entwurzelung und Heimatlosigkeit des wandernden Gottesvolkes der Normalzustand ist. Jesus Christus selbst ist ein Fremder geworden. Und “wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ Unsere Heimat ist im Himmel - dies ist die christlich wertkonservative Haltung. Und die steht gegen jeden Patriotismus und gegen jede Vaterlandsliebe. “Wer Vater und Mutter nicht verlässt um meinetwillen ist mein nicht wert“ - wieviel mehr gilt dies für ein Vaterland. Christlich wertkonservativ hieße dann aber: No border, no nation. Und es gäbe dann überhaupt keine Fremden mehr, sondern nur noch Schwestern* und Brüder*, mit denen wir eins in Christus sind oder Menschen, an die wir gewiesen sind, um mit ihnen eins zu werden in Christus.
Denn unser Bürgerrecht und unsere Heimat - so die christlich wertkonservative Haltung - ist nicht auf der Erde, sondern im Himmel. Und dieses Bürger- und Heimatrecht verleihen nicht wir - und nicht wir wissen, wer es verliehen bekommen hat oder wird. Das weiß allein Gott - und deshalb sind wir an alle Menschen gewiesen.
Wertkonservativ im Sinne Jesu Christi und seines Evangeliums - was heißt das etwa im Blick auf Macht und Besitz? Wenn wir das Evangelium ernst nehmen und also christlich wertkonservativ
argumentieren, werden wir Besitz nicht über Menschlichkeit stellen. “Wer 2 Mäntel hat, gebe dem, der keinen hat und wer Essen zu viel hat, teile!“ - so der Täufer. Was bedeuten diese Worte
für christlich wertkonservative Christen_innen - in einer Gesellschaft, in der Menschen bestraft werden, die Lebensmittel aus dem Müll “retten“ oder in der Menschen umziehen müssen, weil
willkürlich Mieten erhöht werden?
Was bedeuten für christlich wertkonservative Christen_innen die Worte der Jungfrau Maria: “Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Armen füllt er mit Gütern und lässt die
Reichen leer ausgehen.“?
Wertkonservativ im Sinne Jesu Christi und seines Evangeliums - was heißt das etwa im Blick auf das Verhältnis von Gesetz und Ordnung und Menschen? Konservativ scheint "Law and Order" - aber ist das auch christlich wertkonservativ?
Hat nicht Jesus selbst immer wieder das Gesetz infrage gestellt, wenn es um Menschen & um ihr Leben ging? Und während seine Gegner - die nur konservativ waren - sagten: “Wir haben ein Gesetz, und nach dem muss er sterben!“ - sagt Jesus: “Das Gesetz ist um des Menschen willen da.“
Was bedeutet das für ein christlich wertkonservatives Christentum etwa im Blick auf die ungerechten Asylgesetze als nur ein Beispiel von vielen?
Wertkonservativ im Sinne Jesu Christi und seines Evangeliums - was heißt das etwa im Blick auf … - diese Reihe ließe sich fortsetzen. Aber es soll ja ein gemeinsamer Klärungsprozess sein.
Als Zwischenfazit für mich jedoch: Ich verstehe nach dieser Betrachtung die Gegenüberstellung rechtsradikal und wertkonservativ in einem christlichen Sinne immer weniger.
Aber das merke ich jetzt - ich wäre es gern - christlich wertkonservativ im Sinne Jesu und des Evangeliums.
Frank Martin
Sascha Wildenhain (Samstag, 21 März 2020 10:24)
Ich kann bestätigen, was Gerhard Lindemann in #219 beschreibt. Als ob momentan nicht schon alles anstrengend und belastend genug ist, betreiben die Damen und Herren der AfD auch in dieser Zeit noch ihr böses Spiel. Da wird eben erzwungen, daß das Landesparlament zu tagen hat. Was für eine perfide, schlimme Partei. Ich denke, daß die Angst jedes einzelnen Menschen vor den Nazis das größte Hindernis ist, klar Position zu beziehen gegen rechts. Die größte Hilfe bei der Angstüberwindung sind mutige, liebevolle Menschen, die einen bestärken, damit man sich nicht alleine fühlt.
Gerhard Lindemann (Samstag, 21 März 2020 08:54)
In den Großstädten sitzen allerdings auch Neonazis in den Stadträten, die sächsische AfD gilt nach einer neueren politikwissenschaftlichen Studie insgesamt als rechtsextrem. Das Problem ist, dass in Städten wie Wurzen das öffentliche Klima bereits so stark unter einer rechten Dominanz steht, dass Gewaltakte von einer Mehrheit hingenommen oder sogar begrüßt werden, so dass Andersdenkende zunehmend eingeschüchtert sind. Wie positionieren sich in Wurzen die Kirchgemeinden dazu, was unternehmen sie gegen dieses offensichtliche Klima der Angst oder schweigen sie? Es wäre interessant, die Freunde danach zu befragen.
Gerüchte, die Gert Flessing im Blick auf die Corona-Krise nennt, werden zum Teil auch gezielt von "rechts" gesteuert, auch um die Gesellschaft zu destabilisieren und das "System" zum Zusammenbrechen zu bringen. Man darf das nicht einfach so hinnehmen, sondern sollte als Kirche vor Ort auch dagegen angehen, das ist genauso wichtig, wie sich um Menschen zu kümmern, die online nicht erreicht werden. Auf der EVLKS-Seite sah ich, dass zwei Dresdner Gemeinden mit Ehrenamtlichen einsame Senior*innen gezielt anrufen.
Juliane Keitel (Samstag, 21 März 2020 03:22)
Ich möchte kurz etwas Aktuelles loswerden: Heute (21.03.2020) ist der "Internationale Tag gegen Rassismus". Da die geplanten Demos und Veranstaltungen verständlicher- und vernünftigerweise abgesagt wurden, entstand die Idee, Transparente zu malen und aus den Fenstern zu hängen. Das haben ein paar Freunde und ich gestern getan - selbstverständlich getrennt in unseren Wohnungen. Vielleicht haben einige von den hier Mitlesenden ja auch noch kurzfristig Kapazitäten, die Aktion zu unterstützen. Unter #grenzentöten kann man die Fotos von Transparenten posten.
Freunde, die in Wurzen wohnen, haben geschrieben, dass sie liebend gern auch mitmachen würden. Sie können die Aktion aber nur im Geiste unterstützen, denn ein Plakat gegen Rassimus und für den Schutz von Schutzlosen an den Außengrenzen der EU etc. aus ihrer Wohnung zu hängen, sei einfach viel zu gefährlich für sie. In Wurzen sitzen Neonazis im Stadtrat.
Das, was Herr Flessing geschrieben hat (#216), finde ich auch wichtig. Gegen die Angst (nicht nur in den Kirchgemeinden) kann man vielleicht für's Erste Margot Käßmanns Idee, auch ohne Internet, verbreiten: https://www.youtube.com/watch?v=Ysan_jhSaq4. Sicherlich wird uns das Corona-Virus in ungeahnter Art und Weise herausfordern. Aber wir dürfen darüber nicht vergessen, dass wir parallel zum Kampf gegen das Virus nach wie vor die Gefahren von Rechts und den Einsatz für die Schutzlosen und für die von brutaler Gewalt betroffenen Geflüchteten, die an den EU-Außengrenzen leiden, im Bick haben müssen. Auch sie sind oder werden ebefalls von Corona betroffen sein...
Sascha Wildenhain (Freitag, 20 März 2020)
Hallo in die Runde (m/w/d)
es wird eine Zeit nach "Corona" geben. Was viele Menschen von sich aus innerlich nicht hinbekommen, ist: Rücksichtnahme, Abstand halten, sensibel sein (...) dass wird dann eben exekutiv durchgesetzt, wegen der vielen beratungsresistenten Menschen. Wir alle müssen jetzt hier durch, nicht wahr? Diese Pandemie ist auch "nichts Neues", jeder, der gerne liest, weiß das, Stichwort "spanische Grippe" etc. Wir werden das alle durchstehen, je sensibilisierter sich die Menschen verhalten, umso weniger Opfer wird es geben.
Ein anderes, nicht weniger wichtiges Thema: Frank Martin hat in diesem Forum etwas zu Polizeigewalt gepostet, ich habe es jetzt nicht genau zitierfähig mit # lokalisiert. Ich möchte uns allen mitteilen, dass ich denke, dass wir ein riesengroßes Bildungsdefizit haben im Umgang mi Menschen, die polizeilich "behandelt" werden müssen. Seit hunderten von Jahren fällt "uns"nichts Besseres ein, als zu schlagen und draufzudreschen. Schlimm. Bitte den Zeitungsartikel lesen und auf die Play-Taste drücken beim mitgefilmten polizeilichen Gewaltakt.
https://www.nordbayern.de/region/nuernberg/polizisten-verprugeln-mann-in-gibitzenhof-lka-pruft-vorfall-1.9038696
Es ist für mich schwer erträglich, zu verinnerlichen, das so etwas geschehen kann. Meine These: Inkompetentes Personalmanagement. Kann ganz schnell korrigiert werden.
Eine gute Zeit!
Gert Flessing (Freitag, 20 März 2020 18:14)
So, Leute,
vielleicht ein letzter Beitrag.
Völlig ohne Anrede, wie gewünscht.
Der Leserbrief von Pf. i.R. Lucke war sehr bemerkenswert. Ich habe darauf reagiert, aber meine Reaktion ist noch nicht veröffentlich. Aber es stimmt, man konnte ihn nicht so stehen lassen.
Ansonsten haben wir, als Kirche, momentan recht spezielle Probleme. In vielen Gemeinden herrscht Angst. In vielen Herzen, auch von Christen ist Unruhe, auch weil es genügend Gerüchte gibt.
Wer die Rede von unserer Kanzlerin aufmerksam gehört hat, der weiß, das die Situation alles andere, als gut ist.
In den Gemeinden denken wir momentan darüber nach, wie wir noch irgend eine Form kirchlichen Lebens finden können. Es sind ja auch hier die alten Menschen, die besonders darunter leiden, das die Kreise nicht mehr sind, das niemand mehr zu ihnen kommt, wenn es einen Geburtstag gibt. Ich habe eine diamantene Hochzeit absagen müssen. Das Gespräch, das ich mit dem Jubelpaar hatte, war wichtig und doch auch geprägt von Sorge.
Was wir jetzt brauchen, ist ein Nachdenken über unsere Möglichkeiten, Menschen erreichen zu können, die nicht vernetzt sind über Facebook und Co.
In den Gemeinden, in denen ich noch ein wenig aktiv bin, versuchen wir, mit kleinen Trostbriefen die Menschen wissen zu lassen, das sie weder von ihrer Kirche, noch von Gott, vergessen sind.
Es wäre schön, wenn wir, über alle Meinungsverschiedenheiten hinweg, es schaffen würden, gemeinsam Ideen zu entwickeln.
Bleiben Sie gesund und bewahrt.
Gert Flessing
Gerhard Lindemann (Mittwoch, 18 März 2020 09:58)
Ein Hinweis, weil es nicht so leicht sichtbar ist. Bei dem Beitrag "AfD und Christentum" ist seit gestern die Kommentarfunktion geöffnet.
Sascha Wildenhain (Sonntag, 15 März 2020 19:49)
Vielen Dank für diese Entscheidung. Große Klasse.
Frank Martin (Sonntag, 15 März 2020 18:20)
Zusätzlich weisen wir noch darauf hin, dass rechte Hetze, Rassismus und Beleidigungen kommentarlos gelöscht werden, andere Beiträge jedoch wegen der Nachvollziehbarkeit nicht mehr gelöscht werden.
Frank Martin (Sonntag, 15 März 2020 16:52)
Liebe Diskutant*innen,
wir haben uns noch einmal verständigt und entschieden, die Kommentarfunktion des Blogs nicht zu schließen.
Für das Verfahren aber einige Hinweise: Wir verstehen uns als Forum. Das heißt, wir bieten einen Ort - hier für Gespräche. Aber wir führen diese Gespräche nicht - oder nur, wenn wir uns als Einzelne dazu äußern wollen. Eine Moderation oder Regulierung einzelner Äußerungen gehört nicht zu unserem Selbstverständnis. Deshalb ergreifen wir als Einzelne persönlich zwar das Wort, um unsere je eigene Sicht einzubringen, werden aber nicht als Admins Partei für oder gegen ein Statement ergreifen - auch, wenn wir nicht alles teilen oder gut finden.
Dafür gibt es Grenzen: Beleidigungen, Rassismus, Hetze - all das hat hier keinen Platz und wir werden solche Beiträge löschen.
Ich hoffe, dass Sie unter diesen Voraussetzungen hier weiterhin diskutieren werden.
Gerhard Lindemann (Sonntag, 15 März 2020 01:00)
Das kann ich nur unterstützen. Hinzu kommt, dass infolge des Corona-Virus kirchliche und gesellschaftliche "Präsenzveranstaltungen" mittlerweile nahezu völlig gestrichen sind, so dass jede bestehende Möglichkeit des Online-Austausches aufrecht erhalten werden sollte - überdies kann ich mir nicht vorstellen, dass das Betreiben eines Blogs ohne Moderation (was kein Vorwurf sein soll) einen größeren persönlichen Aufwand bedeutet, da die dafür notwendige Software ja installiert ist.
Sascha Wildenhain hatte noch einen längeren Text zum Thema "Opfer" versprochen. Vielleicht kommt er noch (und es wäre schön, wenn man bei Bedarf die Möglichkeit hätte, hier darauf einzugehen).
Juliane Keitel (Sonntag, 15 März 2020 00:31)
Jetzt haben sich die Beiträge #209 und #208 überschnitten. Wahrscheinlich war es Gerhard Lindemann und mir gleichermaßen wichtig, nochmal auf den Begriff der Instrumentalisierung einzugehen ;-).
Ich fände es, wie schon öfter gesagt, sehr wichtig, auch künftig solche konstruktiv-kritischen Austauschplattformen zu haben, um sich gegenseitig - frei und fromm - in diesen Zeiten argumentativ zu unterstützen, Fragen und Meinungen auszutauschen, zu streiten, zu reflektieren und sich klar zu werden, was wir tun müssen, um die Idee und die bereits erfolgten Errungenschaften einer liberalen Gesellschaft zu schützen und weiterzuentwickeln. Insofern hoffe ich sehr, dass der Initiativkreis/die Admins dauerhaft eine solche Plattform für Diskutierende, Fragende und Mitleser*innen bereitstellen werden. Es ist ja deutlich sichtbar, dass weiterhin Gesprächsbedarf besteht und wir noch lange nicht am Ende sind.
In dem Zusammenhang wäre es gut, zu wissen, wann genau nun der Blog eigentlich geschlossen werden soll - morgen früh, oder mittags, abends, Mitternacht? Könnte das noch einmal konkretisiert werden? Damit klar ist, ob/welches Thema man nochmal anschneiden kann?
Mir wäre es zudem wichtig, mich vor der Schließung für die intensiven Schreibgespräche zu bedanken, und da der Zeitpunkt leider nicht klar ist, tue das vorsichtshalber jetzt schon einmal. Ich habe ebenfalls viel gelernt und neu reflektiert, danke dafür allen aktiven Schreibern. Vor allem ist mir deutlich geworden, dass es enorm wichtig ist, die Ansätze rechtsextremen Denkens im 'Konservativen' sehr genau zu benennen und ihnen nicht weiter zur Geltung zu verhelfen. Wie wir hier gesehen und an vielen Beispielen diskutiert haben, sind sie nach wie vor wirksam und auch unter Christ*innen mehr präsent, als uns lieb sein kann.
Juliane Keitel (Samstag, 14 März 2020 23:49)
Dass Menschen in Diskussionen Dinge, Ereignisse, Menschen etc. für eine bestimmte Argumentation instrumentalisieren, ist nichts Ungewöhnliches und auch nicht immer grundsätzlich schlecht - Instrumentalisierung passiert permanent und ist Teil unserer Debattenkultur. Wichtig aber ist es, sich klar darüber zu sein, was man wofür benutzt und ob man mit seinen Bezügen evtl. populistische Strömungen aufgreift und ihnen zur Geltung verhilft. In diesem Sinne muss ich Gerhard Lindemann zustimmen - Shaul Chasans Äußerungen wurden von Sascha Wildenhain zunächst im Kontext der Diskussion um den Vaterlandsbegriff angebracht, den Gert Flessing mehrfach versucht hatte, positivistisch einzubringen, und es wirkte so, als sollte dieses längere Zitat zur Verteidigung des Vaterlandsbegriffs dienen. Insofern greift der Begriff oder 'Vorwurf' der Instrumentalisierung durchaus.
Danke auch für den Hinweis auf die strukturelle Ähnlichkeit zwischen der SS-Äußerung und einem der Ziele von AfD und Identitären, nämlich ethnisch homogene Nationen zu schaffen (#206). Hier zeigt es sich wirklich überdeutlich, wie wichtig es ist, zu schauen, welche Referenzen wofür taugen.
Gerhard Lindemann (Samstag, 14 März 2020 23:44)
#180: "Hier geht es mir um das Stichwort " Vaterland" und die Positionierung dazu. In einem der vielen Bücher zum Holocaust, die ich gelesen habe ( ich kann die genaue Quelle jetzt nicht benennen, bitte um Nachsicht, meine aber, es ist in "Wir weinten tränenlos" von Gideon Greif zu lesen), wurde der Dialog von 2 SS- Männern beschrieben, den sie führten, während sie zusahen, wie die jüdischen Menschen in die Gaskammer gingen. "Schau, diese Juden, das geschieht ihnen nur, weil sie keinen eigenen Staat haben".
Hier handelt es sich meines Erachtens schon um eine Instrumentalisierung - das meinte ich aber nicht als einen persönlichen Vorwurf. Solche Gespräche dienen ja auch, wie Sascha Wildenhain mit Recht feststellt, der Sensibilisierung.
Sascha Wildenhain (Samstag, 14 März 2020 22:29)
es fällt mir sehr schwer, respektable Persönlichkeiten nicht in der gebührenden Anrede anzusprechen, aber ich möchte #205 Rechnung tragen.
Zu #206. Hier gehe ich zu allem Geschriebenen mit und bin wieder ein Stück klüger geworden. Von mir weisen möchte ich, daß ich hier Zitate von Überlebenden dieses unvorstellbaren Horrors "instrumentalisiere". Ich weiß nicht, wie oft ich dieses Buch gelesen habe, es ist sehr abgegriffen. So wie ich mich momentan gerade sensibilisiere, reflektiert zu argumentieren, bitte ich darum, evtl. erkennbar vorhandene Defizite in der Erkenntnis der zeitgemäßen Einsortierung von Wissen zu tolerieren. Ich lerne gerne dazu, jeden Tag.
Gerhard Lindemann (Samstag, 14 März 2020 22:09)
Das Problem bei der Verwendung des Beispiels von Shaul Chasan (#194) ist nicht nur, dass damit eine Einzelmeinung generalisiert wird, sondern dass zur Verteidigung eines umstrittenen Begriffs das Text eines Auschwitzüberlebenden instrumentalisiert wird.
Überdies arbeitet das Beispiel mit einem Volksbegriff, der sich historisch so nicht verwenden lässt - nur eine Minderheit der Jüdinnen und Juden begriff sich als "Volk ohne Staat". Die überwiegende Mehrheit der in Deutschland, West- und Mitteleuropa lebenden Judenheit verstand sich religiös als jüdisch (oder, sofern sie der Religionsgemeinschaft nicht mehr angehörten, noch nicht mal das), aber primär als Bürger ihres jeweiligen Staates, in dem sie lebten, viele von ihnen auch als Angehörige der jeweiligen Nation. Das drückte sich aus in dem Namen der größten jüdischen Interessenvertretung in Deutschland: "Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens". Viele Juden waren nationale Patrioten und hatten im Ersten Weltkrieg für die Länder, in denen sie jeweils geboren und soziaslisiert waren, gekämpft.
Auch heute lebt, global gesehen, die Mehrheit der Jüdinnen und Juden nicht in Israel.
Der zitierte SS-Mann negierte diese Entwicklung, indem er sagte: "Diese Juden, das geschieht ihnen nur, weil sie keinen eigenen Staat haben!" Nein, es geschah ihnen, weil die deutsche Regierung sie für eine minderwertige und verderbliche Rasse erklärte und viele Menschen das hinnahmen, ohne dagegen zu protestieren, von der Ausgrenzung und Verfolgung materiell profitierten oder sie gar unterstützten. Das Zitat ernthält eine indirekte (Mit-)Verantwortungszuweisung an die jüdischen Opfer des von Deutschen verübten Massenmordes.
Der SS-Mann argumentierte wie in der Jetztzeit die Identitäre Bewegung oder ein gewichtiger Teil der AfD - man will ethnisch homogene Gesellschaften und (zum Teil gewaltsam; Höcke) die "Remigration", das heißt die Vertreibung, von Menschen, die angeblich nicht dazugehören.
Auf der anderen Seite steht, dass nach der Shoah ein wesentliches Motiv für die Gründung des Staates Israel darin bestand, dass es für Jüdinnen und Juden in Ländern, wo sie diskriminiert oder verfolgt werden, einen festen Zufluchtsort gibt. Dafür, und das stellt Sascha Wildenhain mit Reht fest, haben wir Deutschen und die Kirchen eine besondere Verantwortung, aber eben auch dafür, dass Juden hier nicht ausgegrenzt, diskriminiert und Opfer von rassistischer Gewalt werden.
Gerhard Lindemann (Samstag, 14 März 2020 14:15)
Eine Zwischennotiz: Es wäre günstig, auf Anreden, wie "Lieber Herr" oder "Sehr geehrte Frau" weitgehend zu verzchten. Persönliche Wertschätzung gerade in diesen Zeiten ist zwar elementar wichtig, ich fürchte jedoch, dass das ein Grund (unter vermutlich mehreren) dafür sein dürfte, dass sich so wenig Personen an dem Gespräch beteiligen, da es doch wie die Konversation eines miteinander sehr vertrauten Kreises wirkt.
Jeder Beitrag ist nummeriert - darauf kann man eingehen und selbstverständlich auch die Verfsserin oder den Verfasser namentlich nennen. Auch das ist Wertschätzung, wenn man sich mit Positionen anderer Teilnehmer*innen beschäftigt.
Auch wäre es gut, wenn man Texte einführt (wie von Sascha Wildenhain in #200), die im Netz nicht frei zugänlich sind, kurz ihren Inhalt zu referieren.
Sascha Wildenhain (Samstag, 14 März 2020 11:42)
Liebe Frau Keitel,
Danke für Ihre ausführliche Antwort an mich in # 203 zum Thema "Vaterland", bzw. "Staat". Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, dass das Generalisieren einer Einzelmeinung (S. Chasan) definitiv nicht geht. Ich denke, wir liegen hier nicht weit auseinander. Ich kann leider momentan keine Antwort auf die Frage finden, wie es gehen soll, dass es keine einzelnen Staaten mehr geben muss.
Innerhalb der politischen Strategie der AfD propagieren die handelnden Personen dieser Partei zu diesem Thema ja den Slogan "Für ein Europa der Vaterländer". Damit soll suggeriert werden (so meine Behauptung): "Seht her, wir sind für Europa und nicht gegen Europa, wie es uns immer wieder vorgeworfen wird, aber wir wollen, dass jedes "Vaterland" erhalten bleibt."
Soweit ich die politische Dimension des vereinten Europas verstanden habe, ist sie intendiert von dem einen großen Ziel: NIE WIEDER KRIEG. Die Zeiten der Nationalstaatlichkeit haben immer wieder zu Krieg unter den Nationen geführt, wie wir ja alle wissen.
Auch wenn ich nie CDU gewählt habe und große Probleme mit großen Bereichen der Politik der CDU hatte und habe, eines ist für mich klar: Helmut Kohl hat riesengroße Verdienste daran, dass es zu einem vereinten Europa gekommen ist. Also zum Thema abschließend ganz klar: "Vaterland" ist nicht haltbar und auch schon längst tot. "Staat" ist momentan noch Realität, aber nicht alternativlos. Zu Ihrer ausführlichen Antwort an mich in # 185 möchte ich Ihnen auch noch ausführlich antworten, dafür brauche ich ein bisschen länger...
Juliane Keitel (Samstag, 14 März 2020 01:35)
Auch ich habe mich gefragt, warum es nicht die Möglichkeit zur Diskussion unter dem Beitrag "Überlegungen im Nachgang zum Landesparteitag der AfD in Weinböhla" von Astrid Angela Jakob und Heiko Reinhold (https://www.frei-und-fromm.de/positionen/gesellschaft/afd-in-weinb%C3%B6hla/) gibt?
Wir hatten hier im Blog mal darüber diskutiert, wie wichtig es wäre, dass u.a. kirchliche Personen oder Initiativen, die sich dem Rechtsextremismus entgegen stellen, (argumentative, öffentliche) Unterstützung brauchen; wir hatten uns über Bürgermeister*innen ausgetauscht, die aufgrund massiven Drucks von Rechts ihr Amt niederlegen und es kaum Solidarität der örtlichen Kirchgemeinden gab. Es gibt aber leider auch viele andere Beispiele, die zeigen, dass sich die AfD mit ihrem Gedankengut unvermindert stark versucht, in bürgerliche/kirchliche Aktivitäten, Strukturen und Zusammenhänge einzumischen und scheinbar harmlos einzureihen. Insofern fände ich es auch enorm wichtig, hier vielleicht eine Form des Austauschs auch über solche Fälle zu schaffen. Das würde ich dem Initiativkreis/den Admins sehr gerne noch mitgeben vor Schließung des Blogs.
Danke, lieber Herr Wildenhain, für den Hinweis auf den Leserbrief im Sonntag (S. 10) von Herrn Lucke, Pfarrer i.R. Mir stößt es sehr auf, wenn jemand behauptet, dass "die Verschwiegenheit" ein "hohes christlich-ethisches Gut" sei - im Gegenteil: daran krankt die Kirche, und zwar nicht nur die evangelische, man denke nur an die vielen Missbrauchsfälle. In diesem Lichte aber fällt dann die Bewertung einer öffentlichen, inhaltlich (und nicht personal!) fokussierten Petitionwiederum so aus, dass nicht die problematischen Momente von Rentzings Biografie, sein unklarer Umgang damit und seine fragwürdige Nähe zur AfD thematisiert werden, sondern der Leserbrief wiederum in der Betonung der persönlichen Verletzung mündet. So kommen wir nicht weiter, denn damit wird die inhaltliche Bearbeitung der Probleme konsequent verweigert und als nichtig abgetan. Am Schluss dann auch noch davon auszugehen, dass man Rentzing eigentlich hätte Racheglüste zugestehen müssen, die er dann aber gar nicht ausgespielt hätte, ist irgendwie völlig schräg, denn er hat natürlich kräftig ausgeteilt in seiner Rede - abgesehen davon, dass empfundene Kränkungen keinesfalls automatisch in Rachegefühle führen müssen (was für eine komische kausale Verknüpfung). Vielleicht kann ja jemand aus dem Kreis der Mitlesenden hier darauf eine Antwort im Sonntag schreiben? Ich habe gerade wenig Zeit, bin aber ebenfalls der Meinung, dass man reagieren müsste...
Kurz noch zu Ihrer Frage aus #199, Herr Wildenhain: ich hatte Ihre Worte durchaus im Zusammenhang mit "Vaterland" gelesen. Aber auch, wenn Sie das nicht gemeint haben, muss man m.E. das Zitat unterschiedlich und kritisch einordnen. Zum einen handelt es sich um die Erinnerungen eines Menschen, der Furchtbares erlebt hat und dies in dieser sehr persönlichen Schilderung mitteilt und verarbeitet. Von daher verbieten sich Generalisierungen oder Inanspruchnahmen/Übertragungen auf spätere historische (aktuelle) Zusammenhänge. Die Sehnsucht eines sich in dieser Situation völlig verloren und verlassen gefühlten Menschen nach einem starken Staat kann keine objektive Begründung dafür sein, dass 'man' oder 'alle Völker' einen solchen gebrauchen könnten oder haben müssten. Nationalismus erfüllt bei Shaul Chasan eine andere Funktion, die sich biografisch-individuell begründet, die aber nicht - jedenfalls meiner Meinung nach nicht - als Maßstab für politisches Handeln oder Argumentieren dienen könnte. Zum anderen ist die Rede der SS-Männer und deren nachträgliche Aufwertung kritisch zu sehen: sie sehen in dem fehlenden Staat den Grund für die Verfolgung und Ermordnung jüdischer Menschen, und Shaul Chasan gibt ihnen darin sogar Recht... das heißt ja aber im Umkehrschluss, dass alle Völker, die keinen eigenen Staat haben, dann also durchaus das selbe Schicksal wie die Juden erwarten könnte, und dass also sie, die Nazis, nur dann evtl. davon ablassen würden, wenn es einen Staat gibt, der sie schützt. Stellen Sie sich mal vor, was das bedeutet, denn es gibt viele Menschen/-gruppen ohne Staat auf unserer Welt. Wie gesagt, man kann diese Sichtweise aus Shaul Chasans biografischen Situaton heraus verstehen und muss das als persönliches Zeichen so annehmen. Ich denke aber, dass man die dahinter stehende und lauernde 'Logik' ablehnen muss, auch weil er im Folgenden dann ja sagt, dass ein Volk ohne Staat "nichts wert" sei. Wenn man das weiterdenkt, dann ist für mich klar, dass man das so nicht gutheißen und schon gar nicht auf heute übertragen oder als Argument für einen 'positiven' Nationalismus o.ä. anführen kann. Alle Menschen, auch ohne Staat, haben ihren Wert, ihre Rechte, ihre Würde.
Gerhard Lindemann (Freitag, 13 März 2020 21:30)
Ich fände es wichtig und sinnvoll, wenn zu dem sehr instruktiven Beitrag "AfD und Christentum" eine Kommentarspalte geöffnet werden würde, zumal diese am Sonntag geschlossen werden wird. Unabhängig davon sollte es im Forum einen Blog geben, in dem es kontinuierlich die Möglichkeit gäbe, von solchen Erfahrungen, wie in Weinböhla oder in einem Ev. Schulzentrum (Juliane Keitel), zu berichten und sich über Einschätzungen ausztutauschen.
Gäbe es nicht gerade diese temporäre Kommentarspalte, hätte ich jedenfalls von dem rassistischen Gewaltakt in dem Ev. Schulzentrum nichts erfahren.
Sascha Wildenhain (Freitag, 13 März 2020 10:14)
Liebe Frau Keitel,
ich möchte Ihnen mitteilen, dass mich Ihre Schilderung des Vorfalls an dieser Schule sehr bewegt. In meiner Familie und meinem Freundeskreis gibt es viele LehreInnen, PfarrerInnen, ErzieherInnen, TherapeutInnen, KünstlerInnen. Alle leiden ( vereinfacht gesagt)sehr unter dem einen Problem: das Menschen unfassbar böse sein können. Ich habe großen Respekt vor Menschen wie Ihnen, die tagtäglich immer wieder herausgefordert sind, Mut zu leben, klare Worte zu sprechen und auch konsequent zu entscheiden.
Ich würde mich freuen, wenn wir hier weiter in der Diskussion bleiben könnten.
Sascha Wildenhain (Freitag, 13 März 2020 09:53)
Im aktuellen "Sonntag" ist ein langer Leserbrief eines Pfarrers i.R. zum Rücktritt Herrn Rentzings abgedruckt, der m.E. nicht unwidersprochen stehen gelassen werden sollte. Frank Martin hat hier dargelegt, dass es innerkirchliche Kommunikation gegeben hat, die keine Klärung zu wichtigen Fragen brachte. Erst dann kam die Petition aus Leipzig, die im Rücktrittsangebot Herrn Rentzings endete.
Mir hat der Austausch hier bisher sehr viel Weiterentwicklung beschert. Zum Beispiel in der Erkenntnis, daß " Werte" sich immer wieder verändern, die schützens- und achtenswerte Würde jedes einzelnen Menschen hingegen immer gegeben sein muß. Den Artikel 1 unseres Grundgesetzes kann man gar nicht oft genug in die Diskussion einbringen, so gut und wichtig ist er.
Sascha Wildenhain (Donnerstag, 12 März 2020 23:17)
Jetzt hier schon den Auseinandersetzungsprozess zu beenden halte ich ebenso zu verfrüht, wie es meine VorrednerInnen zum Ausdruck gebracht haben.@ Frau Keitel: In Ihrer Kritik zu #194 bin ich angesprochen und ich möchte gerne dazu antworten. Zu meiner Intention: Zu "Vaterland" habe ich mich klar positioniert, jedoch vermisse ich Klarheit in Bezug auf die Antwort auf die Frage des meiner Meinung nach leider noch vonnöten Seins eines eigenständigen Staates, wie zum Beispiel des Staates Israel. Hat mit "Vaterland" nichts zu tun, aber mit der Existenz eines eigenständigen Staates, der feindlich umgeben ist, schon. Wenn wir als Christenmenschen in unzähligen Publikationen immer wieder betonen, dass unsere Wurzeln im Judentum liegen, dann können wir uns m. E. nach über dieses Faktum in der Realität nicht hinweg setzen. Deshalb auch dieses Zitat.
Bitte erklären Sie mir, weshalb Sie dies als "hochproblematisch" empfinden.
Juliane Keitel (Donnerstag, 12 März 2020 14:25)
Mir geht es ähnlich wie Gerhard Lindemann. Nachdenken und Diskutieren ist aus meiner Sicht zweifelsohne sehr wichtig, gerade weil die in #197 kurz benannten Probleme schwer wiegen und keine Kleinigkeiten sind. Aber auch wenn Zeit und Kraft zum Führen und Mittun in der Diskussion nicht immer ausreichend zur Verfügung stehen mögen, dürfen wir meiner Meinung nach nicht den Kopf in den Sand stecken und verlauten lassen, dass es schon gut sei, wenn fleißig diskutiert wird. Das reicht - liebe Admins und lieber Initiativkreis - meiner Meinung nach nicht aus. Ich werde das Gefühl nicht los, dass die 'Vorsicht', wie mit problematischen Meinungsäußerungen umgegangen werden sollte, und die Nicht-Positionierung landeskirchlicher Vertreter*innen, auch hier im Forum sichtbar geworden sind.
Ein Schlusswort ist für mich also ganz und gar nicht formulierbar, weil die Diskussion jetzt erst recht weitergehen müsste. Viel zu viel ist eben nur 'andiskutiert' worden, Gerhard Lindemann hat einige Punkte benannt. Ich möchte ergänzen, dass die Äußerungen in #194 für mich hochproblematisch und ganz und gar nicht dazu geeignet sind, einen 'positiven' Vater- oder Mutterlandsbegriff zu installieren; ebenso müsste man bei Gert Flessing nachfragen, welches "beliebte Spiel" denn mit "Mikroagression" gemeint ist(#196). Dies sind nur einige der angeschnittenen Themen, die einer weiteren Diskussion und Bearbeitung bedürften.
Als bedrückendes 'Fazit' könnte ich nur noch einmal auf das schulische Beispiel, von dem ich in #185 berichtet habe, verweisen. So etwas ist kein Einzelfall und verlangt unsere laute Positionierung und die Zurückweisung von Haltungen und Meinungen, die zu solchen Auswüchsen führen können. Ich möchte dazu ein Detail nachliefern, die ich zunächst nicht genannt habe, weil es eigentlich egal ist, an welcher Schule so etwas passiert. Aber vielleicht lässt es diejenigen noch einmal aufhorchen, die glauben, dass patriotische Christinnen und Christen kein Problem wären, denn: der Vorfall ereignete sich an einer evangelischen Schule.
Gerhard Lindemann (Donnerstag, 12 März 2020 12:39)
Liebe Frau Mette, liebe Frau Zeitler,
ich halte es nicht für ganz unproblematisch, eine Schließung der Diskussion anzukündigen, ohne die daran aktiv Beteiligten zuvor zu fragen, wie sie das sehen. Da der Blog nicht wirklich moderiert wird (was kein Kritikpunkt meinerseits ist), wäre es auch kein Problem, ihn offen zu lassen, da er eine gute Möglichkeit bietet, eventuelle Weiterentwicklungen öffentlich anzusprechen und zu diskutieren.
Herr Flessing geht in seinem "Schlusswort" leider gar nicht auf die Kritik an seiner Verwendung problematischer Begriffe ein, das heißt er bleibt bei der Auffassung, es gebe eine "Sprachpolizei" und man könne Worte verwenden, von deren Gebrauch sich gesellschaftliche Minderheiten diskriminiert fühlen.
Das ist nur ein Beispiel dafür, dass es innergesellschaftlich und innerkirchlich weiterhin dringenden Klärungsbedarf gibt. Von daher halte ich es auch nicht für unproblematisch, seitens der Administration die Debatte so zusammenzufassen, wie hier erfolgt: "In der folgenden Diskussion wurde vieles angeschnitten und diskutiert. Unser Ziel ist es, Gespräch und Nachdenken anzuregen." Das ist eine Zielsetzung, der nur zuzustimmen ist. Die gewählte Formulierung läuift in diesem Kontext, da sie ohne einen weiteren Kommentar bleibt und der Versuch einer inhaltlichen Einordnung und Positionierung nicht unternommen wird, jedoch, auch wenn das gewiss nicht beabsichtigt ist, die Gefahr, dass der Eindruck erweckt wird, dass für das weitere "Nachdenken" alle möglichen, hier geäußerten Positionen (auch wenn sie z. B. sich gegen wesentliche Prinzipien des Grundgesetzes richten) gleichermaßen ihre Berechtigung haben, also auch in diese Richtungen genauso legitim "weitergedacht" werden kann wie in andere.
Gert Flessing (Dienstag, 10 März 2020 21:00)
Es war ein Stück Weg, den wir hier, geistig - geistlich, miteinander zurück gelegt haben. Es war ein guter Weg, auch wenn wir manchmal hart aneinander geraten sind.
Ich bin dankbar dafür.
Ein Schlussbeitrag?
Nun denn.
Wertkonservativ im christlichen Sinne?
Als Christ, ist die Basis meines Denkens, Redens und Handelns, Mein Vertrauen in das, was Gott uns in Jesus, dem Christus, gab. Das ist, für manche, schon konservativ.
Für mich ist es ein Wert, den ich festhalte, weil er mich hält. In dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn trifft mich die Liebe Gottes und sie ruft mich selbst zur Liebe.
Diese Liebe gewähre ich den Menschen, die mir begegnen. Ich tue das, indem ich das lebendig werden lasse, was im Artikel 1 des Grundgesetzes steht. Nicht, das es mir immer gelingt. Aber ich übe es. Es heißt ja "... Liebe üben..."
Es gibt manches, mit dem ich mich nicht anfreunden kann. Aber ich verstehe, warum andere Menschen damit Probleme haben. "Vaterland" ist so eine Geschichte. Ich bin gern und mit Freude Europäer. Aber meine Heimat ist, für die Jahre, die mir bleiben, Deutschland und Sachsen, bevor ich dann in die ewige Heimat reise.
Ich würde einen Staat dabei nicht überhöhen wollen, so wie es jener Saul Chasan aus #194 tut. Aber ich erwarte natürlich von einem Staat, von unserem Staat, das er sich für die Menschen einsetzt, die sein "Staatsvolk" sind.
Vielleicht ist das konservativ. Aber ich bin so erzogen worden, das ich Menschen, die Verantwortung für die Allgemeinheit im Lande tragen, achte, so lange sie achtbar sind.
Ich achte auch Menschen, die meine Meinung in verschiedenen Fragen nicht teilen. Es ist ihr Recht.
Wir werden, als Kirche und als Gesellschaft, noch manchen Weg gehen müssen. Ich wünsche uns allen Geduld und Mut, zu hören, und wenn wir reden, uns nicht in dem, heute so beliebten Spiel, mit "Mikroagression", fangen zu lassen.
Insofern allen hier eine gesegnete Passionszeit und nicht vergessen: Am Ende der Zeit des Leidens steht die Freude am Leben. Der Herr ist auferstanden!
Gert Flessing
Kathrin Mette /Barbara Zeitler (Administratorinnen) (Dienstag, 10 März 2020 19:50)
Liebe Diskutierende und Mitlesende,
vielen Dank für Ihr Engagement in den letzten Wochen! Was ist
wertkonservativ im christlichen Sinn? Das war die Frage, der Frank
Martin nachgegangen ist. In der folgenden Diskussion wurde vieles
angeschnitten und diskutiert. Unser Ziel ist es, Gespräch und Nachdenken
anzuregen. Vielleicht geben Sie noch ein Schlusswort, einen
Schlußbeitrag, in dem Sie für sich formulieren, was für Sie
"wertkonservativ im christlichen Sinn" bedeutet oder was Sie zu dieser
Frage aus dieser Diskussion entnommen haben. Wir schließen diesen Blog
am kommenden Sonntag.
Sascha Wildenhain (Montag, 09 März 2020 23:18)
Nachtrag:
Zu meiner Behauptung in # 180 zur Frage der Wichtigkeit des Vorhandenseins eines eigenen Staates möchte ich die Quelle nachliefern: "Wir weinten tränenlos"/ Augenzeugenberichte des jüdischen "Sonderkommandos" in Auschwitz von Gideon Greif/ 5. Auflage November 2003/ ISBN 3-596-13914-7. Seite 291/ Interview mit Shaul Chasan.
Ich zitiere: "Shaul Chasan hat eine starke, präsente Persönlichkeit. Seine großen Augen strahlen vor Vitalität. Er gehört zu den stolzen Juden aus Saloniki und ist ein eingeschworener, standhafter Zionist. Keines unserer Interviews verging, ohne daß er auf sein "Credo" zu sprechen gekommen wäre: Die Shoah hätte sich nicht ereignen können, so Chasan, wenn die Juden damals einen eigenen Staat zu ihrem Schutze gehabt hätten. "Ohne Staat sind wir der Vernichtung preisgegeben" Dieser Überzeugung fügte er immer die Geschichte von den zwei SS-Leuten hinzu, die eines Tages in den Bereich der Verbrennungsanlagen in Birkenau gekommen waren. Der eine flüsterte dem anderen zu: "Schau her! Diese Juden, das geschieht ihnen nur, weil sie keinen eigenen Staat haben!". (...). Zweites Zitat aus dem gleichen Interview (Seiten 327+328): " In Sachen Glaube, Religion, Gott: Glaubten Sie vorher an Gott und verloren infolge der Erlebnisse dort Ihren Glauben? Oder glauben Sie nun gerade vielleicht aufgrund Ihrer Rettung stärker an eine göttliche Kraft, die Ihnen geholfen und das Schicksal gelenkt hat?
(Antwort von Shaul Chasan): Ich glaube an Gott, aber nicht wie die religiösen Menschen, die nichts erlebt haben, denn das Wunder, das ich dort rausgekommen bin, zeigt doch, daß es eine Macht Gottes auf der Welt gibt.
Was mir bis zum heutigen Tage im Kopf geblieben ist, daß man 2300 Menschen sieht, und dann am nächsten Morgen ist plötzlich nur noch ein Haufen Asche und Staub da. Kann man das vergessen? So etwas kann man nicht vergessen. Das ist nicht etwas, was man mir erzählt hätte, das habe ich auch in keinem Buch gelesen. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen, das kann man nicht vergessen. Jetzt fühle ich etwas, aber damals habe ich nichts fühlen können. Heute frage ich mich, staune und versuche zu verstehen, was da passiert ist. Die Opfer waren doch keine Verbrecher, keine Diebe, keine Mörder- alle waren unschuldig. Warum konnte das passieren? Die Antwort kann nur eine sein: Wir hatten keinen Staat! Deshalb ist uns das passiert. Wenn wir einen Staat gehabt hätten, dann wäre das nicht passiert. Tatsache.
(...) Zum Schluß möchte ich noch folgendes erzählen: Eines Tages kamen die großen Diebe von der SS, sobald sie hörten, ein Transport aus Holland oder Belgien sei eingetroffen. Alle wußten, daß es in Belgien Brillanten gab. So kamen zwei SS-Offiziere nach unten in den Entkleidungsraum und durchsuchten die Menschen, um ihre Brillanten zu finden. Ich hörte sie untereinander reden und sagen: "Diese Juden, so vernachlässigt, selbst einen Staat haben sie nicht". Dann haben sie die Juden ermordet. Jetzt, da wir einen Staat haben, werde ich in niemals verlassen-nicht Amerika, nicht Paris, keinen anderen Ort. Denn ich habe am eigenen Leibe erfahren, daß eine Volk ohne Staat nichts wert ist. Man muß in einem eigenen Staat leben können, und dieser Staat muß stark sein. Das ist die Lehre, die ich bei meiner Arbeit im Sonderkommando in Auschwitz- Birkenau gelernt habe."
Herzlich
Sascha Wildenhain
Gerhard Lindemann (Montag, 09 März 2020 16:52)
Sehr geehrter Herr Wildenhain,
vielen Dank für den wichtigen Hinweis und für Ihr positives Feedback! Gerade wo Peter Hahnes Texte bei einer Reihe von Menschen, auch aus unseren Gemeinden, gut ankommen, wie Herr Flessing mit Recht feststellt, ist eine kritische Auseinandersetzung notwendig. Auf die Notwendigkeit eines verantwortlichen Umgangs mit Sprache hat auch Frau Keitel wiederholt hingewiesen.
Sascha Wildenhain (Montag, 09 März 2020 10:06)
Sehr geehrter Herr Lindemann,
vielen Dank für Ihre kritischen Impulse an mich. Angesichts der beängstigenden Entwicklung und der realen Bedrohung des demokratischen Parlamentarismus durch den Rechtsradikalismus bin ich durch Ihre Worte hier zu der Sprache von Peter Hahne und zum verantwortlichen Umgang mit Sprache sehr nachdenklich geworden. Ich möchte Ihnen allen hier diese Bundestagsdebatte ans Herz legen, weil sie m.E. sehr zum Thema passt: Vor allem die Eingangsworte von Herrn Schäuble haben mich bewegt.
https://www.youtube.com/watch?v=HISKbel2BTI&t=1201s
Freundliche Grüße.
Sascha Wildenhain (Montag, 09 März 2020 08:06)
Hallo Frau Keitel,
herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort in # 185.
Gerhard Lindemann (Samstag, 07 März 2020 12:20)
Korrektur: Wildenhain.
Gerhard Lindemann (Samstag, 07 März 2020 12:19)
Der Hinweis im Beitrag #187 "Sie verraten wesentliche Grundlagen unseres Vaterlandes, die wir im Grundgesetz finden." ist weiterführend. Das gilt aber nicht nur für rassistische Gewalt. Auch die Verteidigung der Verwendung von Begriffen, die Minderheiten diskriminieren und überdies bei ihnen auf Ablehnung und Widerspruch stoßen, wie von Peter Hahne vollzogen und von Gert Flessing mit Vehemenz verteidigt (und von Sascha Widenhain toleriert), widerspricht wesentlichen Prinzipien des Grundgesetzes.
Juliane Keitel (Samstag, 07 März 2020 11:48)
Sicherlich haben sich die Beiträge #187 und #186 eben überschnitten, sonst hätten Sie, Herr Flessing, vielleicht noch einmal überlegt, ob es wirklich sinnvoll ist, sich darüber zu wundern, dass man Sarotti wegen der Verwendung des rassistischen Begriffs "Mohr" kritisieren sollte oder nicht. Wenn wir darin einige sind, dass Sprache ein überaus wirkmächtiges Instrument ist, dann ist das doch keine Kleinigkeit! Und dass die Debatte darüber dringend notwendig ist, dafür sind Sie an der Stelle selbst der Beleg, denn die Verwendung von "Zigeunerschnitzel", von "Mohr" und anderen Begriffen ist rassistisch - das kann man nun auch nicht anders bewerten. Sie können sich nur entscheiden, ob Sie das gerne weiter so machen und diese Praxis auch noch verteidigen wollen. Und da wir in einer Demokratie leben, wird keine "Sprachpolzei" Sie irgendwie daran hindern, aber Sie müsse es aushalten, dass man Sie dafür kritisieren wird und diesen Sprachgebrauch auch weiterhin als rassistisch kennzeichnen wird und muss. Ich versehe es nicht, dass Ihnen diese wichtigen Diskussionen lächerlich erscheinen. Das Nachdenken darüber, wie Dinge und Personen besser/anders benannt werden können, so dass sich Diskriminierungen verringern, müsste doch ein zutiefst christliches Anliegen sein. Und insofern schließe ich mich den Aussagen von Gerhard Lindemann an: ein Populist wie Hahne hat in ernsthaften Debatten einfach nichts zu suchen und muss deutlich zurückgewiesen werden. Wer das nicht tut, steht in der Nähe AfD und verhilft ihren Anliegen.zur Geltung.
Gert Flessing (Samstag, 07 März 2020 10:44)
Liebe Frau Keitel,
danke für Ihre ausgesprochen sachliche und gute Argumentation.
Dem s.g. Ostdeutschen Opfermythos habe ich nie etwas abgewinnen können. Er ist die Überhöhung einer Tatsache, die eigentlich jedem vor Augen sein konnte, als es zur Vereinigung kam. Nur, das es niemand hören wollte, das marode Betriebe kaputt gehen würden, das vieles zusammenbrechen würde, das wir Arbeitslose, Drogenprobleme und manches mehr bekommen würden und das Bild des Westens, das die Werbung geliefert hatte, nicht stimmt.
Aber es ist ja leichter, die schuld anderswo zu suchen.
Natürlich weiß ich auch, dass die Zeit, nach 1990 eine Zeit der Glücksritter war.
Es waren aber nicht nur westdeutsche Glücksritter. Ein Bekannter von mir baute, in Windeseile, ein Imperium auf, es waren Verpackungen, und hatte plötzlich Kontakte nach Tschechien und sonstwo hin, ließ in China produzieren... Jetzt lebt er in der Ukraine und macht dort weiter.
Es gab viele Menschen, die sich redlich abgeschunden haben, um die Veränderungen des Lebens in den Griff zu bekommen.
Ja, es gibt genügend Neid. Haben, statt Sein. Dem können wir, in den Gemeinden durchaus etwas entgegen setzen.
Was Sprache anbelangt, so hat diese durchaus eine Wirkung. Ich bin mir dessen bewusst, gehört Sprache doch zu den Werkezeugen, die ich habe und brauche.
Sprache sollte schon sensibel genutzt werden. Aber könnte es sein, das da hin und wieder übersensibilisiert reagiert wird? Ich finde es merkwürdig, wenn man sich um den "Sarotti Mohren" streitet und das mit einer Energie, die verbissen und, in meinen Augen, lächerlich ist. Oder wenn an einer Uni beschlossen wird, alle Lehrenden mit "Professorin" anzusprechen.
Sie mögen das für evident halten. Ich nicht. Aber nicht aus Gründen der Herabsetzung anderer, sondern weil es das Problem, das dahinter liegt, nicht lösen wird. Da bin ich mir auch mit einigen dunkelhäutigen Menschen, die ich kenne, einig.
Ich weiß, das Menschen das Wort "Vaterland" missbrauchen, um ihre eigenen, kleingeistigen Ambitionen bemänteln zu können. Zum Beispiel, um sich vor ihrer "Dame" groß tun zu können, wie es wohl, in Ihrem angeführten Fall, passiert ist.
Man kann mit allem Missbrauch treiben.
Ich kann Ihre Sicht der Dinge verstehen. Ich mache sie mir aber nicht zu eigen.
Im Grunde sind Menschen, die einen anderen misshandeln und quälen, weil sie etwas an ihm, an seinem Äußeren, finden, das ihnen nicht behagt und das mit dem Begriff "Vaterland" bemänteln, Vaterlandsverräter. Sie verraten wesentliche Grundlagen unseres Vaterlandes, die wir im Grundgesetz finden.
Ja, ich kann mir vorstellen, dass die Liebe des misshandelten Jungen zu unserem Land nicht größer geworden ist. Er wird sich fürchten. Das ist Schade, mehr noch, es ist ein Schaden, den jeder, der wirklich unser Land liebt, mit zu tragen hat.
Gert Flessing
Gerhard Lindemann (Samstag, 07 März 2020 10:38)
Zu #177: "Peter Hahne und seine Publikationen sprechen mich nicht an, aber ich habe mittlerweile kein Problem mehr damit, wenn z. B. Gert Flessing sich durch sie angesprochen fühlt. Ich muss das nicht bekämpfen. Wozu auch?"
Es geht hier nicht um das Bekämpfen von anderen Auffassungen, sondern um die kritische Auseinandersetzung). Gert Flessing kann natürlich lesen, was er möchte, er hat jedoch das Buch von Hahne öffentlich ins Gespräch gebracht, und da ist eine kritische Reaktion notwendig, vor allem auch, wenn Gert Flessing unkritisch den vor allem in der "Neuen Rechten" verwendeten Begriff "Sprachpolizei" und rassistische Terminologie, wie "Zigeunerschnitzel", verwendet.
Beides stellt für Sascha Wildenhain offenbar kein Problem dar, das macht die einleitende Bemerkung "Toleranz. 0.01 Millimeter. Innerhalb dieses Toleranzbereichs ist ein Werkzeugmacher unterwegs." deutlich, aber auch nochmals der Hinweis "Ob er [Hahne] ein "AfD- Trabant" ist, entzieht sich meiner Kenntnis" (#180). Da wird eine kritische Beschäftigung mit Hahne, die schon wegen der von Gert Flessing hier eingeführten problematischen Begriffe notwendig wäre, verweigert.
AfD-Nähe weist Hahnes neues Buch übrigens auch aufgrund seiner islamfeindlichen Tendenzen auf.
Die Bemerkung "Fakt ist, dass er [Hahne] seine evangelikale Position schon lebte, als es die AfD noch gar nicht gab." suggeriert, als ob ein Evangelikaler zwangsläufig AfD-Anhänger oder -Sympathisant sein müsste. Das ist nicht der Fall.
Juliane Keitel (Samstag, 07 März 2020 02:49)
Lieber Sascha Wildenhain, den Begriff des "ostdeutschen Opfermythos" kann man u.a. in diesen beiden Artikeln ganz gut nachvollziehen, denke ich: https://kreuzer-leipzig.de/2019/08/26/der-ostdeutsche-monolith-funktioniert-als-opfer/; https://www.echo-online.de/lokales/darmstadt-dieburg/otzberg/junge-ostdeutsche-und-der-opfermythos_20593731. Es geht darum, dass die Fremd- und Selbststilisierung 'der' Ostdeutschen als Opfer, die man bereits in den frühen 90er Jahren beobachten konnte und die ihren traurigen Höhepunkt in den Pegida-Demonstrationen hatten/haben, eine Auseinandersetzung mit rechtsnationalen und -extremen Ansichten bei sich selber sowie in der Geschichte und der Gegenwart unserer Gesellschaft (und: Kirche) verhindern; gleichzeitig blockieren sie das Wahrnehmen von Verantwortung und führen zu einer grundsätzlichen Verlagerung der Verantwortung auf andere (bspw. auf "die Altparteien", auf "Merkel" etc.) und zu einem Schuldigsprechen von 'denen da oben'. Dieses Muster bedienen alle Rechtspopulisten, u.a. eben auch Peter Hahne, wenn er die 'Ossis' lobt für ihren Heldenmut von 1989, und dann aber anschließt, dass sie danach übersehen wurden und nicht das bekommen hätten, was ihnen zustand. Solche Einordnungen, die oft einhergehen mit einer polemischen Sprache, befördern Neid- und Besitzdenken, lösen aber gewiss nicht das dahinter liegende Problem.
An dieser Stelle ist es für mich deutlich, wie wichtig es ist, sich mit Sprache und ihren Wirkungen zu befassen, Herr Flessing. Ich möchte nochmal daran erinnern, dass Sie mich in #175 gefragt haben, ob ich "wirklich so etwas, wie eine "Sprachpolizei"?" möchte - darauf habe ich Ihnen geantwortet, dass das ein populistischer Begriff ist, der suggeriert, man dürfe nicht mehr alles sagen. Ich habe das Gefühl, dass Sie aber genau dieser Vorstellung durchaus etwas abgewinnen können, so dass der Begriff für Sie schon eher eine reale Dimension zu haben scheint: In #159 haben Sie geschrieben, dass Menschen, die mit "Rassist" oder "Nazi" bezeichnet werden, dann lieber schweigen würden. Warum schweigen sie? Weil sie denken, nicht alles sagen zu dürfen? Warum wird das dann nicht diskutiert? Warum verteidigen sie sich nicht, wenn sie denken, dass das nicht stimmt bzw. wenn sie der Meinung sind, dass es nur eine pauschale Kritik war? Das vestehe ich nicht.
Zum Thema "Vaterland" möchte ich an einem aktuellen Beispiel verdeutlichen, was das Problem an diesem Begriff (auch "Mutterland" macht es nicht besser) ist. Stellen Sie sich eine Schule im ländlichen Raum vor. An einer solchen geschah vergangene Woche ein rassistischer Übergriff auf einen dunkelhäutigen Jungen. Drei schulfremde junge Männer betraten die Schule in einer Pause, einer von ihnen schlug, bespuckte und würgte ihn. Der Angreifer war der Freund eines Mädchens dieser Schule. Sie entschuldigte anschließend ihren Freund mit den Worten, dass er sich ja "nur für sein Vaterland eingesetzt" habe. Der Vorfall und der Bezug auf "Vaterland" macht deutlich, dass dieser zu Gewalt denen gegenüber führen kann und auch immer wieder führen wird, die vermeintlich nicht hinein- oder dazugehören. Und wenn Gewalt passiert ist, wird diese damit entschuldigt, dass man ja 'etwas Gutes' gewollt hätte - für ein ominöses 'Vaterland'. Sie mögen den Vaterlandsbegriff schönreden wollen, aber ihm haftet die Ausgrenzung an. Er verlangt eine Bestimmung derer, die dazugehören, und einige der Kategorien sind Hier-Geboren-Sein, Staatsbürgerschaft, 'Hautfarbe'... Da nutzt es dem Jungen eben auch nicht, dass er hier geboren ist und die deutsche Stattsbürgerschaft hat, denn das 'sieht' ja keiner... Ich hoffe, lieber Herr Flessing und Herr Wildenhain, dass an diesem Beispiel zumindest meine Sicht und die Problematik deutlich geworden sind. Ich kann es angesichts solcher Beispiele (das ist ja nur eines unter hunderten) auch bei älteren Menschen oder bei wem auch immer nicht stehenlassen, wenn vom Stolz auf das Vaterland gesprochen wird. Ich kann und will das niemandem "austreiben" wie Herr Wildenhain in #178 schreibt, aber wenn wir hier schon im Diskutieren sind, kann ich Ihnen meine Meinung wohl zumuten, denke ich - sonst brauchen wir nicht weiterzumachen. Die evtl. fehlende Sensibilität Herrn Flessing gegenüber (ebenfalls in #178 angesprochen) bitte ich gerne zu entschuldigen, aber ich richte meine Sensibilität an dieser Stelle ganz klar auf diejenigen, die zum Opfer solcher Ansichten geworden sind oder werden können, und weniger auf diejenigen, die am Vaterlandsbegriff aus welchen Gründen auch immer festhalten wollen. Die Gefahr, Opfer werden zu können, ist für sog. Minderheiten oder Menschen mit dunklerer Hautfarbe angestiegen, seit es die AfD gibt. Ich mag mir die Ängste kaum vorstellen: wie geht es dem Jungen, wenn er nächste Woche wieder mit dem Schulbus fahren muss, wenn er in den Supermarkt geht, wenn er im Klassenraum sitzt?
Gert Flessing (Freitag, 06 März 2020 14:12)
Lieber Herr Wildenhain,
ich finde es schön, dass Sie hier sind und sich nicht entmutigen lassen.
An eine Kirchenspaltung glaube ich nicht. Es wäre auch keinesfalls wünschenswert.
Es ist nicht umsonst, das ich immer wieder auf das Fundament unseres Kircheseins insistiere. Es sind nicht die politischen Fragen, die unser Fundament bilden. Es ist das Fundament, das im Gottvertrauen liegt, auf dem wir auch politisch relevante Fragen friedlich besprechen und Haltungen gerade rücken können. Ansonsten würden wir in Richtung einer Ideologie abdriften.
Die Seite von Schneider-Breitenbrunn habe ich mir angesehen. Ich habe mir auch das angesehen, was er über seinen Werdegang berichtet hat. Es ist schade, dass der Mann so sehr in das evangelikale Milieu abgeglitten ist. Da ist eine Verbissenheit, die ich nicht verstehe und keinesfalls gutheißen kann.
Wir sind, wenn ich den Mann (und andere, die ich kenne) betrachte, nicht eine Gemeinde. Ich denke noch an Reinhard Bonke, diesen merkwürdigen Prediger mit seinem "vom Minus zum Plus". Er hat mir mal eine innergemeindliche Sekte beschert. Für einige Zeit jedenfalls. Dann kamen alle wieder, freilich etwas angeschlagen. Aber wir sollten solche Leute nicht auf die leichte Schulter nehmen. Sie können auf Menschen, die nicht wirklich in Gott ruhen, eine fatale Wirkung haben. Nicht anders, als Höcke und Co, auf politischer Ebene.
Gert Flessing
Sascha Wildenhain (Freitag, 06 März 2020 11:44)
Klare Ansage:
NIEMALS werde ich es tolerieren, geschweige denn akzeptieren,
mit Menschen, die solch ein Verhalten leben, in einen Topf geworfen zu werden, nur weil wir "eine Gemeinde" sind:
https://schneider-breitenbrunn.de/
Sascha Wildenhain (Freitag, 06 März 2020 11:29)
Ob wir in der Diskussion und Auseinandersetzung über die Frage, wie eine trennscharfe Abgrenzung zwischen konservativ, wertkonservativ und rechtsradikal letztlich in die lebbare Wirklichkeit umgesetzt werden kann, wirklich konstruktiv weiter kommen, weiß ich nicht. Die Option, dass es eine Kirchenspaltung geben wird, liegt ja auch mit auf dem Tisch, oder nehme ich das falsch wahr?
Gert Flessing (Freitag, 06 März 2020 11:06)
Liebe Frau Keitel,
ich verwende nichts unreflektiert. Normalerweise pflege ich nachzudenken. "Jedem das Seine." Gefunden bei Cicero, aber auch im Corpus Iuris civilis des Ulpian. Ich zitiere: "Die Gerechtigkeit ist der beständige und dauerhafte Wille, jedem sein Recht zukommen zu lassen."
Ich halte das durchaus für ehrenhaft, so leben zu wollen.
Ihnen ist schon ziemlich deutlich, das der Begriff "Sprachpolizei" kein juristischer ist und auch nicht eine staatliche Institution impliziert.
Die "Ständegesellschaft" ist Vergangenheit. Wie brutal sie war? Jede Zeit hat ihre eigene Form des Umgangs miteinander. Meine Urgroßeltern sind im frühen Kaiserreich aufgewachsen und haben auch ihren Weg gemacht. Nach dem, was ich erfahren durfte, nicht unglücklicher, als Menschen heute.
Das Deutschland mein Vaterland ist, kann ich kaum leugnen. Es ist eine Gegebenheit. Es mag in Ihren Augen problematisch sein. Das muss ich aber nicht zu meinem Problem machen, denke ich.
Das eigentliche Problem sprechen Sie da an, wo es um eine Möglichkeit der Zusammenarbeit mit der AfD geht.
A) Es kann, auch innerkirchlich, nur empfohlen werden, diese Partei nicht zu wählen, weil sie rassistisch und faschistoid ist.
B) Weder auf Bundes, noch auf Landesebene, kann es m.E. eine Zusammenarbeit mit ihr geben.
C) Ich weiß nicht, ob sich eine Zusammenarbeit, in Sachfragen, in Kommunen oder auch in Schulen oder Vereinen, vermeiden lässt, ohne die Arbeit allgemein unmöglich zu machen. Es könnte eine Frage der Pragmatik sein.
D) Als Kirche haben wir die Möglichkeit, auch in den Gemeinden, Menschen zu erreichen. Wir sollten die Themen, auch die Von Rassismus, von, immer noch vorhandenem, Antijudaismus und Faschismus, nicht ausklammern, sondern durchaus Bildungsarbeit machen. Allerdings genau so, das "jedem dabei sein Recht zukommen kann".
Gert Flessing
Sascha Wildenhain (Freitag, 06 März 2020 10:43)
Hallo Frau Keitel,
also der Reihe nach.
Ja, Sie haben Recht, es ist doof, Verlinkungen zu posten, ohne mitzuteilen, was man damit ausdrücken möchte, stelle ich ab.
Bei "idea" ging es mir ausschließlich um den Beitrag von Lamprecht. Als ich in der Gemeinde noch aktiv war, hab ich ihn einmal zu einem Vortrag über "den" Islam gewinnen können, das war sehr interessant, vor allem die Reaktionen einiger Islamophober Gemeindeglieder. Zu Wolffsohn: Hier geht es mir um das Stichwort " Vaterland" und die Positionierung dazu. In einem der vielen Bücher zum Holocaust, die ich gelesen habe ( ich kann die genaue Quelle jetzt nicht benennen, bitte um Nachsicht, meine aber, es ist in "Wir weinten tränenlos" von Gideon Greif zu lesen), wurde der Dialog von 2 SS- Männern beschrieben, den sie führten, während sie zusahen, wie die jüdischen Menschen in die Gaskammer gingen: "Schau, diese Juden, das geschieht ihnen nur, weil sie keinen eigenen Staat haben". Ich weiß es nicht, ob die heute in Israel lebenden Menschen ihren Staat für sich selbst als "Vaterland" bezeichnen, aber dass sie Israel als ihren Staat brauchen, dürfte sicherlich unstreitig sein. Wenn ich es toleriere, dass ein Mensch wie Herr Flessing den Begriff "Vaterland" positiv assoziiert, weil ich mich für so reflektiert halte, seine Sozialisation, seine Prägung, das Lebensalter etc. mit in den Blick zu nehmen, so hat das für mich eben mit besagter Sensibilität dem anderen gegenüber etwas zu tun. Das ist für mich gelebte Annäherung und hat auch nichts mit " Harmoniesoße" zu tun. Ich persönlich kann schon seit 30 Jahren nichts mehr mit dem Begriff " Vaterland" anfangen, u.a. deshalb, weil die " nationale Besoffenhein"(Tucholsky) der Menschheit 2 furchtbare Weltkriege beschert hat. Aber deswegen fühle ich mich nicht dazu berufen, Herrn Flessing seine Vaterlandsliebe auszutreiben.
Müssen wir hier über Peter Hahn streiten? Ich kann mit seinen Publikationen und Äußerungen nichts anfangen. Ob er ein "AfD- Trabant" ist, entzieht sich meiner Kenntnis, Fakt ist, dass er seine evangelikale Position schon lebte, als es die AfD noch gar nicht gab. Noch eine Frage zu # 179: Was ist mit der Formulierung " ostdeutscher Opfermythos" gemeint? Da brauche ich bitte mehr Erklärung.
Juliane Keitel (Freitag, 06 März 2020 00:41)
Ich bin auch sehr entsetzt u.a. über die Verwendung von "Sprachpolizei". Welchem Geist rennen Sie denn da bloß nach, Herr Flessing? Es gibt einfach mal kein Gesetz, das es Ihnen verbieten würde, irgendetwas zu sagen, und das durch eine Polizei durchgesetzt würde! Haben Sie das denn immer noch nicht begriffen? Es handelt sich hier eindeutig um ein populistisch gebrauchtes und von Neuen Rechten bewusst eingesetztes Wort, um Stimmung zu machen - DAS zu realiseren, dem nicht aufzusitzen und es nicht bedenkenlos weiterzuverwenden nenne ich u.a. differenzierten Sprachgebrauch! Ja, ich wünsche mir mehr Reflexion, Sensibilität, Liebe statt Polemik und Schenkelklopfer auf Kosten von Minderheiten in der Sprache (wir sehen doch, wohin das führen kann!!), aber natürlich nicht im Sinne von Polizei! Wäre schön, wenn wir unter uns diese Haltung kultivieren könnten, aus Einsicht in den Sinn der Sache. Daran aber scheint es zu hapern. Über Ihre merkwürdige Anmerkung zu "jedem das Seine" wäre auch viel zu sagen - aber das führt hier einfach zu weit. Der Begriff hat leider nicht erst durch die Nazis seine menschenverachtende Aufmerksamkeit erhalten, sondern schon weit vorher mitgeholfen, eine brutale Ständegesellschaft aufrecht zu erhalten. Ist es das, was Sie wollen?!
Auch Ihnen, Herr Wildenhain, muss ich widersprechen: ich kann gegen die Ansicht und den Sprachgebrauch von Herrn Flessing zwar wenig machen, aber unwidersprochen darf es nicht bleiben. Das gilt für die Rede vom Vaterland genauso, die Sie bereit sind zu tolerieren (#174). Die ist und bleibt in meinen Augen höchst problematisch, und insofern ist es mir nicht egal, wenn Leute damit argumentieren, und ich werde das auch immer sagen. Da sehe ich eine Verantwortung! Und auch Hahne kann man als Christ*in meiner Meinung nach nicht ein bisschen tolerieren, er ist eindeutig ein Trabant der AfD, da gibt es überhaupt keinen Zweifel! Seine Publikationen spalten und diskriminieren, verdrehen (historische) Tatsachen, zementieren den ostdeutschen Opfermythos, und das alles noch mit dem Ziel, Lacher zu kassieren? Nur weil "die Menschen ihn mögen" (#175) darf man sich doch nicht blenden lassen! Gerade weil Sie von Ihrer Beobachtung in den erzgebirgischen Gemeinden sprechen, ist es so wichtig, diesem Ungeist entschieden und unmissverständlich entgegenzuwirken. Dieser Ungeist begegnet übrigens auch bei idea, und insofern ist es für mich ebenfalls befremdlich, wenn Sie gerade auf diese Plattform verweisen. Auch wenn dort Lambrecht zitiert wird, ist ein grundsätzliches Misstrauen angesagt. Die evangelikale (und biblizistische) Weltsicht hat einfach mal viele Schnittpunkte mit dem Rechtsextremismus, und die Instrumentaliserung von Lambrecht ist - wenn man sich auf differenzierte Sprachbetrachtung einlässt - durchaus sichtbar.
Übrigens finde ich es sehr mühselig, wenn hier Autoren vorgeschlagen oder Links gesetzt werden, ohne dass gesagt würde, in welchem Zusammenhang diese jetzt mit der Diskussion stehen oder was die Diskutierenden damit bezwecken. Ich weiß z.B. bis jetzt nicht, was der Text auf idea eigentlich sollte oder welche Absicht mit Michael Wolffsohn bezweckt wurde; Letzterer ist mir als Nationalist in Erinnerung, der bei Terrorgefahr die Folter befürwortet, also da wäre für mich einiges erklärungsbedürftig, und ich sehe den konstruktiven Beitrag für unsere Diskussion hier nicht.
Außerdem umgeht bspw. Herr Flessing imerzu die Fragen, um die es geht: Gehört es für Sie nun zu konservativ, mit der AfD zusammenzuarbeiten, auf Gemeindebene, auf kommunaler Ebene, in Schulen, in Vereinen, im Landesparlament etc. (siehe meine Fragen u.a. aus #167)? Wie soll sich die Landeskirche dazu verhalten? Und nocheinmal: gehört es Ihrer Meinung nach etwa auch zu konservativ, Begriffe wie Sprachpolizei, Zigeunerschnitzel, jedem das Seine usw. unreflektiert zu nutzen und sich auch noch toll dabei zu finden (wie bspw. Hahne)?
Sascha Wildenhain (Freitag, 06 März 2020 00:12)
Dieses "Interview" mit dem Faschisten Höcke wurde einen Tag vor der zweiten Ministerpräsidentenwahl angefertigt von seinen eigenen Leuten für sich. Seine ganze böse Demagogie kommt hier komplett zum Ausdruck. Wie ein Mantra benutzt er immer wieder das Wort "Altparteien" und arbeitet somit bewusst nach dem Prinzip "Karthago muss zerstört werden":https://www.youtube.com/watch?v=sytwoG1mHUw
Wenn ich mir vorstelle, dass dieser Typ Oberstudienrat (hoffentlich gewesen)ist, stellen sich mir die Haare zu Berge.
Er thematisiert auch die Worte von Angela Merkel zum"rückgängig machen " der ersten MP- Wahl in Thüringen. Ich habe die Tragweite jetzt verstanden,
Mein Vater war sehr aktiv in der SED mit allen Konsequenzen und deshalb scheue ich den Eintritt in irgendeine Partei.
Einen schönen Abend..
Sascha Wildenhain
Sascha Wildenhain (Donnerstag, 05 März 2020 23:15)
Toleranz.
0.01 Millimeter. Innerhalb dieses Toleranzbereichs ist ein Werkzeugmacher unterwegs.
Peter Hahne und seine Publikationen sprechen mich nicht an, aber ich habe mittlerweile kein Problem mehr damit, wenn z. B. Gert Flessing sich durch sie angesprochen fühlt. Ich muss das nicht bekämpfen. Wozu auch? Problematisch wird es aus meiner Sicht, wenn es in handfeste politische Aktivitäten umschlägt. Also konkret: Wenn ein Mensch, der sich selbst als Christ bezeichnet, aktiv für die AfD unterwegs ist. Da ist dann für mich der Spielraum der Toleranz erschöpft, solange sich diese "Partei" nicht eindeutig von menschenverachtenden, nationalistischen und rassistischen Haltungen abgrenzt. Leider kann mir aber bis heute niemand sagen, wie das praktisch gehen soll, dass für alle Beteiligten klar wird, dass Christ-Sein und rechtsradikal soviel miteinander zu tun haben wie Feuer und Wasser. Hier in den erzgebirgischen Gemeinden- so meine Behauptung- sind sowohl Geistlichkeit als auch nicht wenige Gemeindeglieder innerlich sehr weit entfernt von einer innerlichen Selbstprüfung, wo denn nun die roten Linien liegen, die die Grenze zwischen "konservativ" bzw. "wertkonservativ" und rechtsradikal markieren. Leider. Was tun? 20 Jahre Kabarettspiel haben auch nichts gebracht.
Gerhard Lindemann (Donnerstag, 05 März 2020 21:53)
Ja, Herr Flessing, wir haben nun wieder das gleiche Problem wie bei der Erfurt-Diskussion. Da machten Sie deutlich, dass Ihnen die Ängste und Sorgen der Jüdischen Gemeinden angesichts des drohenden Machtgewinns der AfD recht unwichtig sind (Sie verwiesen dann schließlich darauf, dass "den Menschen" [in Ihrer Umgebung] "1989" wichtiger sei als "Auschwitz", ohne das kritisch zu hinterfragen); hier verwenden Sie nun im Anschluss an Peter Hahne im Blick auf die Problematisierung der Bezeichnung "Zigeunerschnitzel" den diskreditierenden Begriff "Sprachpolizei". Sprache entwickelt sich fort. In einer rechtsstaatlichen Demokratie, in der der Grundsatz der Menschenwürde ganz vorne in der Verfassung verankert ist, verändert sich auch die Sprache und nimmt Rücksicht auf die Gefühle von Minderheiten und schützt sie vor Diskriminierung.
Menschen, die hier und an anderen Stellen von "Sprachpolizei" reden, fehlt der Respekt vor den Empfindungen von Minderheiten, ihnen ist ihr Schutz nicht wichtig. Peter Hahne müsste das als Pfarrer eigentlich wissen. Er versucht, auch über "idea", menschenverachtende Sprache hoffähig zu machen, sie in die Mitte der Gesellschaft zu transportieren.
Gert Flessing (Donnerstag, 05 März 2020 20:18)
Liebe Frau Keitel,
was meinen sie mit "differenzierter Sprache"? Ich habe mich mal des längeren und breiteren mit einem Menschen, den ich durchaus schätze über das Bonmot auseinander gesetzt, das da lautet "suum cuique". Er war der Meinung, das Wort sei, durch seine Verwendung im Nationalsozialismus, "verbrannt". Ich entgegnete, das es auf Grund seiner eigentlichen Bedeutung seine Würde bewahrt hat, auch wenn es entfremdet angewandt wurde. Dazu wies ich darauf hin, das es z.B. das Emblem unserer Feldjäger ziert, das dem Schwarzen Adler Orden nachempfunden ist.
Wir haben uns nicht einigen können, aber ich denke, das er auf Ihrer Linie liegen dürfte.
Hahnes Bücher verkaufen sich, wie geschnitten Brot. Augenscheinlich mögen ihn die Menschen.
Ich weiß nicht, ob es so etwas, wie "seriöse Gesellschaftsanalyse" überhaupt gibt. Ich gehörte zu den wenigen, die, in den Siebzigern, Vorlesungen über Soziologie hören durften. Gehörte als Baustein zur theologischen Ausbildung, wie Psychologie. Ich erinnere mich noch an einen Soziologen, der uns zitiert wurde, ich glaube er hieß Olof Klohr. Der meinte, statistisch belegen zu können, dass es die Kirche bis zum Jahr 2000 nicht mehr geben würde. Dann hätte sich die entwickelte sozialistische Gesellschaft durchgesetzt.
Ich habe das damals für absurd gehalten und schon möglich, dass sich diese Gedanken auf das gesamte Fach übertragen haben.
Ob Hahne konservativ ist? Weiß ich nicht. Er ist erfrischend unkorrekt und scheut sich nicht, das Maul aufzureißen. Oh, Verrohung der Worte kann ich bei ihm nicht feststellen. Er spricht recht klar und sachlich, wie ich bei dem Talk bei Maischberger feststellen konnte und er lässt sich, von der Frau, nicht aufs Glatteis führen.
Mag Ihnen nicht gefallen. Aber das ist, nun ja, eine andere Ebene.
Er hat eines seiner Bücher "rettet das Zigeunerschnitzel" genannt. Ich esse das eher nicht, weil mir Paprika nicht so bekommt. Ja, man könnte es auch Pustaschnitzel nennen, aber es ist ja nur ein Beispiel für das, was Sie vermutlich für differenzierte Sprache halten und andere für unsinnig.
Vor allem, weil uns solches Gedöns um Worte auch nicht weiter bringt.
Wollen sie wirklich so etwas, wie eine "Sprachpolizei"?
Ich kann darauf verzichten.
Gert Flessing
Sascha Wildenhain (Donnerstag, 05 März 2020 20:09)
Guten Abend,
Ich möchte Bezug nehmen auf einen Teil des Statements, mit dem Frank Martin diesen Forumsteil überschrieben hat, denn der Austausch soll sich ja auf diese Impulse beziehen. "Vaterland". Ich persönlich habe 1990 damit begonnen, mir eine Bedeutsamkeit für diesen Begriff abzutrainieren, ich habe aber kein Problem damit, wenn andere Menschen für sich selbst eine Bedeutsamkeit für "Vaterland" beimessen.
Vielleicht findet ja die Diskussion hier eine konstruktivere Richtung, wenn wir uns mal dieses Interview durchlesen:
https://www.deutschlandfunk.de/der-historiker-und-publizist-michael-wolffsohn-unsere.1295.de.html?dram:article_id=399198
Juliane Keitel (Donnerstag, 05 März 2020 18:05)
Da Sie, Herr Flessing, Peter Hahne lediglich mit einer Andeutung ins Spiel gebracht haben (#159: "Ich habe mal in Peter Hahnes neues Buch rein geschaut. So falsch liegt der Mann nicht, mit dem, was er schreibt."), müssen andere Mitlesende und -diskutierende wohl raten, was Sie meinten? Ich finde zwar, dass man das eigentlich nicht verlangen kann. Es ist die schon mehrfach angemahnte Klarheit, die auch bei Ihnen teilweise fehlt. Da Sie aber Ihre eigene Einschätzung nicht konkretisieren wollen, betrachte ich den Kontext, in dem Sie Hahne nannten, und komme zu folgendem Schluss: Ich nehme an, dass er Ihnen in seiner Verachtung von differenzierter Sprache, im Polemisieren und im Behaupten ohne Belege sehr entspricht. Seriöse Gesellschaftsanalysen findet man bei ihm nicht, dagegen jede Menge Populismus und - ja, leider! - auch Rassismus. Meine Frage wäre dann wiederum an Sie: Halten Sie seine Aussagen etwa noch für konservativ, oder nicht? Hahne ist - für mich leider wieder einmal "glasklar" - stark und aktiv beteiligt an der Verschiebung des Sagbaren, an der Verrohung der Worte, am Einsortieren von Menschen und damit gerade NICHT an der Lösung irgendeines Problems unserer Tage dran. Da hilft auch kein Bezug auf Jesus. Ich wüsste nicht, was daran irgendwie humorvoll sein sollte; es ist für mich einfach nur zutiefst verstörend, das Christinnen und Christen offenbar auf so ein Zeug hereinfallen. Und peinlich wenn Leute darüber auch noch lachen.
Gert Flessing (Donnerstag, 05 März 2020 15:13)
Lieber Herr Lindemann,
es ist, in meinen Augen, eine Selbstverständlichkeit, das sich ein verantwortungsbewusster Politiker von solchen Leuten, die Mord predigen, distanziert und zwar eindeutig und klar und nicht so lustig, wie Herr Riexinger. Nun, der hat ja inzwischen auch begriffen, das da etwas über das Ziel hinaus geschossen wurde. ;-)
Herrn Hahne werden Sie gewiss selbst lesen können. Wenn man nicht auf der Ebene des politisch "richtigen" "Humoristen Böhmermann ist, merkt man einen engagierten Christen, der die Welt vermutlich nüchterner und doch humorvoller betrachtet, als mancher, der moralisch steif daher kommt.
Zumindest hat der Mann, auch in einem Interview mit Maischberger, die Lacher auf seiner Seite gehabt.
Ansonsten wäre es wirklich zu bedenken, was denn nun die Grundlage für unseren Glauben und unser Kirchesein ist.
Gert Flessing
Gerhard Lindemann (Donnerstag, 05 März 2020 11:56)
Nur eine kurze Sachinformation: Ministerpräsident Ramelow hat sich von den inakzeptablen Tötungsphantasien der Linken-Politikerin eindeutig distanziert. Das sollte man fairerweise erwähnen, wenn man hier seinen Namen mit einer rhetorischen Frage damit in einen Zusammenhang bringt.
https://twitter.com/bodoramelow/status/1234849373122695168
Mich würde übrigens noch interessieren, was Herr Flessing konkret damit meint, wenn er zu Peter Hahnes neuem Buch schreibt: "So falsch liegt der Mann nicht, mit dem, was er schreibt." An welchen Punkten liegt er nicht "ganz falsch"?