Vermutlich hat Donald Trump noch nie etwas von Dietrich Bonhoeffer gehört. Trotzdem hängt seit diesem Jahr eine bronzene Tafel zu Ehren des von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfers in der Gedenkstätte Flossenbürg in der Oberpfalz, die den Namen des US-Präsidenten trägt. Sein Statthalter in Berlin, der umstrittene Botschafter Richard Grenell, hatte sich dafür eingesetzt und sie in einer Feierstunde enthüllt. In seiner Rede wählte er Bonhoeffer-Zitate, deren Bedeutung plötzlich in einem befremdlichen Kontext erklangen: „Wer seine Überzeugungen lebt, erwartet keinen Beifall.“ Oder: „Nicht in der Flucht der Gedanken, allein in der Tat ist Freiheit.“
Hochrangige Vertreter der Evangelischen Kirche waren der Gedenkfeier ferngeblieben. Allzu offensichtlich war das Bemühen, Bonhoeffer politisch auf der Seiten der äußersten Rechten zu vereinnahmen.
Denn neben Grenell zeigt sich auch Vizepräsident Mike Pence schon lange als Anhänger des protestantischen Widerstandskämpfers. Pence twitterte dann auch aus dem fernen Washington: „Ich wünschte, ich könnte dabei sein“ – um im selben Tweet seinen Botschafter dafür zu loben, dass er jeden Tag dafür einstehe, „dass POTUS‘ America-First Agenda in Deutschland erfolgreich ist.“
Bonhoeffer und „America First“ in einem Tweet: Das muss man erst einmal hinkriegen! Doch Amerikas „Religiöse Rechte“, zu der Pence und Grenell gehören, hat Bonhoeffer schon lange als einen der ihren entdeckt und verein-nahmt. Und so fremd einem der Gedanke ist: Für sie verkörpert ausgerechnet Donald Trump den furchtlosen Widerstandskämpfer gegen einen liberalen Zeitgeist, gegen den angeblich schon Bonhoeffer gekämpft habe.
Diese Umdeutung ist nicht vom Himmel gefallen. Bis vor ein paar Jahren war Bonhoeffer auch in den USA vor allem unter sozial engagierten Christen populär – bei denen, die sich in der Bürgerrechtsbewegung, für Geflüchtete und gegen Atomwaffen engagiert haben. Nur wenige werden sich dabei intensiv mit der Biografie und den Texten des Theologen beschäftigt haben. Bonhoeffers Schicksal war, dass er zum Heiligen verklärt und seine oft komplexen Gedanken zum Steinbruch für Kalendersprüche, Flugblätter oder Predigten wurden. Ob es das Rad war, dem man in die Speichen greifen musste oder die guten Mächte, von man denen man wunderbar geborgen wurde: An die Stelle der Auseinandersetzung trat triviale Verehrung und eine zeit- und inhaltslose Verfügbarkeit.
„Bonhoeffer-Moment“
In dieses Vakuum stieß vor zehn Jahren eine Bonhoeffer-Biografie, die im protestantischen Mainstream auf eine Mischung aus Ablehnung und Desinteresse stieß, in der „Religiösen Rechten“ aber ein Bestseller wurde. Eric Metaxas inszeniert den Theologen in seinem Buch Bonhoeffer: Pastor, Agent, Märtyrer und Prophet als einen gottesfürchtigen Außenseiter, der in der Krise bereit war, die ultimative Konfrontation mit dem Bösen zu suchen und dafür sein Leben zu opfern (vergleiche zz 2/2012). Der Schlüsselbegriff dafür ist bei Metaxas der „Bonhoeffer-Moment“. Die Biografie selbst beschränkt sich dabei noch weitgehend darauf, Bonhoeffer als konservativen Evangelikalen zu beschreiben. Sie unterschlägt deshalb Vieles, was dieser Vereinnahmung widerspricht, vermeidet aber noch allzu offensichtliche Bezüge in die Gegenwart.
Die tagespolitischen Aktualisierungen findet man dagegen vor allem in den öffentlichen Auftritten des Autors: als Redner auf evangelikalen Kongressen und vor allem als ständiger Gast bei Fox News bezog Metaxas den „Bonhoeffer-Moment“ zunächst immer wieder polemisch auf die Obama-Regierung und versuchte damit, die „Religiöse Rechte“ zum Widerstand gegen den angeblichen Verfall von Sitte und Moral in den USA zu mobilisieren.
Ob „Ehe für Alle“, Schulgebete oder Gesundheitsreform: Von nun an war alles, was im Kulturkampf gegen die „liberalen Eliten“ gerade aktuell war, ein „Bonhoeffer-Moment“. Und beim Thema Abtreibung waren die aggressiv-rhetorischen Rückgriffe auf den Holocaust bereits so eingeübt, dass Bonhoeffers Eintreten für die Juden rhetorisch mühelos als Vorbild für den Kampf gegen die Regierung und den Obersten Gerichtshof ins Feld geführt werden konnte. Eric Metaxas gehörte im US-Wahlkampf 2016 zu den ersten, die ihr Unbehagen über den wenig christlichen Lebensstil des Kandidaten Donald Trump überwanden und die Wahl zu einem „Bonhoeffer-Moment“ überhöhten. Trump wurde als Werkzeug gegen das ultimative Böse stilisiert – seine Gegenkandidatin Hillary Clinton von Metaxas als „Hitlery Clinton“ verteufelt.
Das alles ist nicht nur infam, sondern hoch gefährlich. Denn Bonhoeffer wird nicht durch seine theologischen Überzeugungen, sondern durch seinen Weg in den (bewaffneten) Widerstand zum heroischen Vorbild für die „Religiöse Rechte“.
Wenn Botschafter Grenell in Flossenbürg die „Freiheit der Tat“ gegen die „Flucht der Gedanken“ hervorhebt, dann folgt das dem gleichen Muster wie Metaxas, der bei jeder Gelegenheit ein (vermeintliches) Bonhoeffer-Zitat hervorhebt: „Schweigen im Angesicht des Bösen ist selbst böse. Nicht zu sprechen ist sprechen. Nicht zu handeln ist handeln.“
Man muss sich bei all dem bewusst machen, dass sich dieses Widerstands-Pathos in einem Milieu entfaltet, in dem auch der Anspruch auf den uneingeschränkten Waffenbesitz eine pseudoreligiöse Aufladung erfährt. Die „Religiöse Rechte“ ist eine hoch militarisierte und tendenziell gewaltaffine Szene. Anschläge auf Abtreibungskliniken werden in diesen Kreisen zum Beispiel seit Jahren verharmlost und gerechtfertigt.
Das aber macht die gegenwärtige politische Debatte um das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Trump so explosiv. Denn auch die Ukraine-Affäre wird längst wieder als „Bonhoeffer-Moment“ gedeutet: als Stunde des Widerstands gegen einen vermeintlichen Staatsstreich, mit dem die verhassten Demokraten den rechtmäßig gewählten Präsidenten stürzen wollen. Man sollte es deshalb sehr ernst nehmen, wenn mit Robert Jeffress einer der prominentesten Vertreter der „Religiösen Rechten“ bei Fox News offen mit dem Bürgerkrieg droht: „Ich habe die evangelikalen Christen nie wütender erlebt als bei diesem Versuch, die Wahl von 2016 auszuhebeln und die Stimmen von Millionen Evangelikalen zu negieren. Die Demokraten wissen, dass das einzige Verbrechen Trumps darin besteht, Hillary Clinton geschlagen zu haben. Das ist seine unverzeihliche Sünde. Sollten die Demokraten Erfolg haben (was nicht geschehen wird) wird es einen Bürgerkrieg auslösen, einen Riss in unserer Nation, von dem sich das Land nicht mehr erholen wird.” Über den offizielle Twitter-Account des Präsidenten mit seinen 65 Millionen Followern fand diese Kampfansage maximale Verbreitung.
Auch in Deutschland hat die radikale Rechte Dietrich Bonhoeffer längst für sich entdeckt. Die AfD versucht dabei, den Theologen gleich doppelt für sich nutzbar zu machen: Zum einen passt er zur bürgerlichen Fassade, mit der die Partei ihre strategische Selbstverharmlosung inszeniert. Um sich gegen das Nazi-Image zu immunisieren, reklamiert die AfD den konservativen Widerstand gegen Hitler für ihre Zwecke: Stauffenberg, Sophie Scholl oder eben Bonhoeffer – den man dazu als Konservativen vereinnahmt. Auf Facebookseiten der AfD oder nahestehender Gruppen werden zu diesem Zwecke schon mal Bonhoeffer-Texte gepostet, die entweder wie das Gedicht „Von guten Mächten“ allgemein konsensfähig sind oder die an Ressentiments appellieren, die auch über die rechte Szene hinaus anschlussfähig erscheinen. Ein Beispiel: Bonhoeffers berühmter Text „Von der Dummheit“ wird als Tafel mit Foto gepostet und hundertfach geteilt – auch von evangelischen Pfarrern, die entweder gar nicht merken oder denen es nichts ausmacht, auf wen Bonhoeffers Hinweis hier bezogen wird: „Warum muss ich bei diesem Text ständig an unsere Bundesregierung und die vielen kriminellen Einzelfälle denken?“, fragt der rechte Verfasser des Posts polemisch.
Die Vereinnahmung Bonhoeffers dient dabei noch einem zweiten Kalkül: Die AfD will gezielt die Spaltung der Evangelischen Kirche und sagt das auch ganz offen. Mit dem Pamphlet „Unheilige Allianz“, erschienen direkt nach dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in diesem Sommer in Dortmund, entwirft der rechtsextreme „Flügel“ um Björn Höcke ein perfides Narrativ, das jegliche historische Unterscheidung außer Kraft setzt: „Vom Bündnis mit den Thronen des Kaiserreichs über den Nationalsozialismus über die DDR-Diktatur bis zum Doktrinismus der linksgrünen Landes- und der Bundesregierungen unserer Tage – immer wieder hat sich die offizielle Kirche (keineswegs alle ihre Gläubigen) – mit der Macht verbrüdert.“ Die AfD stellt sich dagegen in die Tradition derer, die diesem „Pakt der evangelischen Kirche mit den Mächtigen und dem Zeitgeist“ widerstanden haben: der Bekennenden Kirche in der NS-Zeit, kirchlichen Dissidenten wie dem durch Selbstverbrennung ums Leben gekommenen Pfarrer Oskar Brüsewitz in der DDR – und denen, die heute dem „rotgrünen Zeitgeist“ widerstehen.
Dass die AfD dabei gar nicht erst den Versuch macht, die qualitativen Unterschiede zwischen einem demokratischen Rechtsstaat, der DDR und dem NS-Regime zu würdigen, ist dabei ebenso infam, wie die Behauptung einer direkten Linie zwischen den „Deutschen Christen“ und der heutigen EKD. Als das Pamphlet Mitte Juni in Berlin vorgestellt wurde, rief Björn Höcke ausdrücklich zum „Widerstand“ der Christen gegen die Kirchenleitungen auf – etwa bei anstehenden Kirchenvorstands- und Presbyteriumswahlen.
Spätestens nach den Wahlerfolgen der AfD in ihren ostdeutschen Hochburgen sollte klar sein: Die Rechtsextremen meinen es ernst mit ihrem Versuch, die von Björn Höcke angedrohte „180-Gradwende in der Erinnerungspolitik“ zu vollziehen. In den zurückliegenden Wahlkämpfen zielte die völkisch-nationalistische Partei äußerst erfolgreich auf das Erbe der friedlichen Revolution von 1989. Im nächsten Schritt – und vor allem in Westdeutschland – wird sie auch das Erbe des Widerstands gegen Hitler noch aggressiver für sich beanspruchen und als Munition gegen die behauptete „Merkel-Diktatur“ ins Feld führen.
Wer dem entgegentreten will, sollte mit dem Eingeständnis beginnen, dass die viel beschworene Erinnerungskultur in der Evangelischen Kirche sehr viel brüchiger ist, als es in Sonntagsreden immer wieder behauptet wird. Die Geschichte der Bekennende Kirche wurde schon in den ersten Nachkriegsjahren verklärt, Widersprüche wurden geglättet. Das toxische Erbe des Deutschnationalen und Antidemokratischen in den frühen Jahren der Bundesrepublik wird bis heute weitgehend verdrängt. Unter den Bischöfen und Kirchenpräsidenten der ersten Nachkriegsjahrzehnte wird die AfD aus dem Vollen schöpfen können, wenn sie Kronzeugen für ihre völkische, nationalistische und autoritäre Ideologie sucht – zumal sie schon in ihrer Kampfschrift „Unheilige Allianz“ hemmungslos Zitate aus dem Zusammenhang reißt und sie gegen die die heutige Kirche in Stellung bringt.
Vor allem bei Dietrich Bonhoeffer ist der Missbrauch durch die extreme Rechte offensichtlich. Seinen Widerstandsbegriff von der Parteinahme für die Opfer systematischer staatlicher Gewalt zu entkoppeln, ist ebenso perfide wie das Ausblenden seiner ökumenischen Offenheit, die er immer auch als Antithese zu jeglichem völkischen und nationalistischen Denken verstanden hat. Wer es, wie US-Vizepräsident Pence, schafft, Bonhoeffer und „Make America Great Again“ in einem Tweet unterzubringen, pervertiert alles, wofür der Theologe gestritten hat. Wer sich, wie die „Religiöse Rechte“, wie eine Wand hinter einen Präsidenten stellt, der Familien von Migranten auseinander reißt und interniert, die Axt an die Gewaltenteilung der US-Verfassung legt, die gesellschaftliche Spaltung des Landes brachial voran treibt, muss Bonhoeffers Biografie und Denken schon brutal verbiegen, um sich auf ihn berufen zu können!
Diffuses Widerstandspathos
Leicht gemacht wird es diesen Kräften freilich durch die Trivialisierung Bon-hoeffers im protestantischen Mainstream, die diesen komplexen Pfarrer, Theologen und Widerstandskämpfer zum Steinbruch für fromme Sprüche und ein diffuses Widerstandspathos entwertet hat. Wer seinen Namen googelt, findet seitenlange Zitatsammlungen für alle denkbaren Lebenslagen – ohne Kontext und oft ohne Quellenangabe. Da darf es nicht wundern, wenn sich auch die „Religiöse Rechte“ aus dieser Wundertüte bedient und sich einen von jeglichen Inhalten und historischem Zusammenhang entkernten Widerstandsbegriff herausholt.
Zum 75. Jahrestag der Ermordung am 9. April kommenden Jahres ist zu befürchten, dass viele Verlage der kommerziellen Versuchung nicht widerstehen können, die Trivialisierung Bonhoeffers mit leicht verdaulichen Spruchsammlungen weiter zu befeuern. Pfarrerinnen und Pfarrer werden ihre Predigten mit Zitaten aus den Gefängnisbriefen veredeln und Festreden werden den „protes-tantischen Märtyrer“ heilig sprechen. Die Sorge, dass man mit all dem die bleibende Bedeutung dieses großen Protestanten nicht vergegenwärtigen, sondern ihn der allgemein verfügbaren Beliebigkeit noch weiter ausliefern wird, erscheint berechtigt.
Es wird auch nicht ausreichen, der Rechten den Anspruch auf das Erbe Bonhoeffers zu bestreiten, solange die Frage nicht beantwortet wird, worin seine bleibende Bedeutung für die heutige Situation und Zukunft besteht. Diese Frage gehört nicht nur in akademische Echokammern, sondern in die Breite der Gemeinden und darüber hinaus in die zivilgesellschaftliche Debatte. Und immer geht es dabei um die gesellschaftliche Verantwortung der Kirche in der realen Welt mit all ihren konkreten Herausforderungen. Denn wenn den großen Theologen eines auszeichnet, dann die Bereitschaft, immer wieder danach zu fragen, was Christsein in der konkreten Realität bedeutet und sich deshalb auf einen ständigen Lernprozess einzulassen. Wolfgang Huber hat das in seinem Buch "Auf dem Weg zur Freiheit" eindrucksvoll heraus gearbeitet.
Es geht deswegen darum, Dietrich Bonhoeffer vom kitschigen Zuckerguss zu befreien, ihn als Zumutung und nicht als Besitzstand oder gar als Waffe in den ethischen Auseinandersetzungen der Gegenwart zu entdecken. So – und nur so – wird man den plumpen Vereinnahmungsversuchen der „Religiösen Rechten“ widersprechen können!
Übrigens: Es gibt ernstzunehmende Gerüchte, US-Vizepräsident Mike Pence wolle im kommenden April persönlich nach Flossenbürg in der Oberpfalz kommen um Bonhoeffer zu ehren. Die USA werden dann im wohl schmutzigsten Wahlkampf ihrer Geschichte sein. Pences Auftritt wäre deshalb vor allem ein Signal an die evangelikalen Wähler in seiner Heimat. Wo wäre dann der Platz der EKD? Dem Kampf um das Erbe Dietrich Bonhoeffers wird die Evangelische Kirche nicht ausweichen können. Wir müssen die Herausforderung annehmen!
Arnd Henze
(mit freundlicher Genehmigung von Zeitzeichen)
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Juliane Keitel (Sonntag, 19 Juli 2020 18:07)
Vielen Dank für den Abdruck des Textes von Arnd Henze aus den "Zeitzeichen" hier an dieser Stelle! Mir war er schon bekannt, aber ich finde, dass er besonders auf Sachsen passt und hier noch einmal ganz besonders für Personen wichtig ist, die in kirchlicher Verantwortung stehen. Die Vereinnahmung Bonhoeffers durch die Neue Rechte ist ja nicht das einzige Beispiel; ich denke u.a. an die Bezugnahmen auf Rosa Luxemburg und den Beutelsbacher Konsens auf der - seit einiger Zeit gelöschten oder in Überarbeitung befindlichen - Webseite "Lehrer-SOS" der AfD). Aber spätestens, wenn Neue Rechte einen Theologen wie Bonhoeffer undifferenziert zu ihrer Ikone stilisieren, müsste auch den Letzten christlich-kirchlichen Akteur*innen klar geworden sein, dass wir es mit einer gefährlichen Strategie zu tun haben: historische und aktuelle gesellschaftliche Ereignissewerden völlig undifferenziert in einen Topf geworfen, in diesem Zusammenhang werden Täter-Opfer-Konstellationen umgedreht, und vor allem in den ostdeutschen Bundesländern werden die Ereignisse von 1989 für antidemokratische Rhetorik und Ziele benutzt. Spätestens hier steht doch nun der dringende Auftrag, sich kirchlich-theologisch endlich prioritär darum zu kümmern, oder? Henze weist schließlich mahnend darauf hin, dass sich die AfD u.a. darum bemüht, Spaltungstendenzen innerhalb der Evangelischen Kirche zu befördern. Die sächsische Christenheit liefert für den Erfolg dieser Strategie schon jetzt das Paradebeispiel und den empirischen Beleg, denn in keinem anderen Bundesland gab es unter Christ*innen so viele AfD-Wähler*innen. Auch der ehemalige Landesbischof hat viel dazu beigetragen, genau an dieser Spaltung zu arbeiten oder zumindest die Teile in unserer Landeskirche und sächsischen Gesellschaft kräftig zu bestärken (u.a. auch durch Nichts-Tun und Nichts-Sagen!), die ohnehin und auch gerne weiterhin homophob, rassistisch, nationalistisch sind bzw. sein möchten. Eindrücklich dokumentierten sich die Spaltungsabsichten der Neuen Rechten auch in seiner Abschiedsrede. Es ist einfach nur noch naiv, wenn man das seitens des Landeskirchenamtes und der Synode nicht sehen will. Im Bericht von der 28. Landessynode ist leider deutlich erkennbar, dass sie dieses Thema nach wie vor nicht im Blick hat.
Gert Flessing (Donnerstag, 23 Juli 2020 19:43)
Es hat mich erschüttert, hier Bonhoeffer und Trump vergesellschaftet zu lesen.
Aber wenn ich an Botschafter Grenell denke, wundert mich nicht viel. Trumps Statthalter in old Germany.
Bonhoeffer ist für mich immer ein Theologe gewesen, dessen Bewegung ich nicht leicht nachvollziehen konnte. Gewiss - wer kennt "von guten Mächten..." nicht. Aber selbst dieses Gedicht und Lied ist nicht so leicht, wie mancher denkt, vor allem, wenn man sich vor Augen führt, in welcher Situation der dichter war.
Seine Einbindung in den Widerstand, ja die militärische Seite des Widerstandes, ist für mich nachvollziehbar. Der Missbrauch auf nationalistischer Ebene nicht.
Bonhoeffer war ein Mann der Ökumene und das hätte ihn bewahren können, wenn er denn gewollt hätte.
Der Artikel ist gut und wichtig, denn er zeigt, wie weit manche Menschen gehen, wenn sie denken, etwas wäre schon so lange her, das man es halt auch missbrauchen kann.
Gert Flessing
Juliane Keitel (Samstag, 25 Juli 2020 01:02)
Ich möchte kurz nachfragen: Was genau meinen Sie mit "Bonhoeffer ist für mich immer ein Theologe gewesen, dessen Bewegung ich nicht leicht nachvollziehen konnte." Welche "Bewegung" meinen Sie, Herr Flessing?
Gert Flessing (Samstag, 25 Juli 2020 14:34)
Nun, Bonhoeffer stellt die "zwei Reiche Lehre" nicht direkt in Frage, relativiert sie jedoch dadurch, das er auch die "weltliche" Seite Christus unterstellt. Das kann ich zwar, in gewisser Weise, nachvollziehen. Aber es überzeugt mich nicht ganz.
Daneben ist mir die Frage, was er unter einem religionslosen Christentum versteht, nicht wirklich klar.
Gewiss, er hat die aussagen zu letzterem nicht mehr wirklich ausführen können. Aber der Begriff geistert seither durch die Reihen.
Gert Flessing
Gert Flessing (Mittwoch, 19 August 2020 21:21)
Vielleicht noch eines. Ich denke nicht, das irgend einer der großen Theologen irgend jemandem, irgend einer Strömung, schon gar nicht einer politischen je "gehören" kann.
Aber sie sind zumeist tot und können sich schlecht dagegen wehren, wenn sie von diesem oder jener für deren "hehre" Ziele ausgeschlachtet werden.
Ich weiß nicht, ob wir schon ein "religionsloses Christentum" haben. Ein politisierendes haben wir schon eine ganze Weile. Ob wir noch ein Christentum haben, das Gottvertrauen hat und Jesus nicht nur als Lückenbüßer und farbenfrohes Füllsel für etwas, was mit Gnade, Sünde, Heil und Ewigkeit, nicht mehr viel zu tun hat, kann ich kaum ahnen.
Gert Flessing
Juliane Keitel (Mittwoch, 26 August 2020 23:59)
Was kritisieren Sie denn an einem "politisierenden Christentum", Herr Flessing? Und wo sehen Sie "Jesus als Lückenbüßer"?
Gert Flessing (Dienstag, 01 September 2020 12:09)
Ich habe es festgestellt, das wir, und da brauche ich nur an Menschen zu denken, die hier schreiben, ein politisierendes Christentum haben. Ich persönlich halte z.B. die Bergpredigt für eine persönliche Herausforderung an Glaubenskraft und nicht für ein politisches Programm.
Wenn ich selbst es wage, für Frieden, für Gerechtigkeit, einzutreten und zwar in meinem Umfeld. Wenn ich Leidende tröste und kraftlose aufrichte, dann ist das etwas, was Menschen gut tut, aber nicht eine Gesellschaft verändert.
Ich stelle mich damit auch nicht an die Seite irgend einer politischen Richtung.
Und Jesus? Nun, er wird von vielen Seiten vereinnahmt. Mir wurde sogar schon erzählt, der wäre eigentlich Buddhist gewesen. Das er ein Vorläufer von Che war, hieß es schon, als ich noch studierte. Er war schon "Superstar", Ehemann von Maria von Magdala ...
Ja, so macht jeder das draus, was er gern hätte, wie bei Bonhoeffer.
Aber als der, der uns mit Gott verbindet? Als der, der uns befreit hat, Liebe gegen Hass zu setzen, indem er den Hass ertrug und selbst den Tod auf sich nahm?
Das wir dadurch vor Gott stehen und auf sein Reich hoffen dürfen - ein Reich das wir hier nicht schaffen werden - wer nimmt das schon ernst?
Gert Flessing
A.Rau (Dienstag, 01 September 2020 12:46)
Kirche ohne Glauben
Die EKD-Funktionäre haben sich vom Christentum verabschiedet
Von Klaus-Rüdiger Mai Tichy
Mo, 31. August 2020
Die Evangelische Kirche in Deutschland wird mit ihren neuen "Leitsätzen" zu einer überfinanzierten NGO mit Restbeständen religiöser Folklore. Christliche Glaubensinhalte sind offenbar nur noch lästig, rotgrüne Gesinnung und Unterstützung des Schleuserunwesens scheinen wichtiger zu sein.
Nach der Veröffentlichung der „Elf Leitsätze für eine aufgeschlossene Kirche“, die im November von der Synode als Zukunftsprogramm der EKD verabschiedet werden sollen, nach Interviews mit dem Chef des Kirchenamtes in Hannover, Thies Gundlach und dem Ratsvorsitzenden der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, wird folgendes klar: Die EKD hat sich vom Christentum verabschiedet, sieht das Christentum als Zumutung, vielleicht sogar als Feind, denn es gibt „keine Dinge mehr, die nicht antastbar sind“ (Heinrich Bedford-Strohm), und schippert inzwischen irgendwo im großen grünen Meer des Wohlfühlprotestantismus, der Unterstützung des Schleuserunwesens, der rotgrünen Gesinnung, der Geringschätzung der Gemeinden herum als überfinanzierte NGO mit Restbeständen religiöser Folklore.
Im Jahr 2018 verließen 210.000 und im darauffolgenden Jahr 280.000 Christen in Deutschland die Kirche. In allein zwei Jahren schrumpfte sie um eine halbe Million. Eine schonungslose Analyse der Situation wäre also das Gebot der Stunde. Stattdessen sieht Heinrich Bedford-Strohm, der wahrscheinlich auch nicht mehr so recht weiß, was er mit der Kirche, was er mit dem Glauben, was er mit Gott und was er mit dem Christentum anfangen soll, darin eine ehrliche Zahl, die der Vielfalt der Angebote in der säkularen Gesellschaft und dem Wegfall von sozialen Kontrollen und Zwängen geschuldet wäre. Dass viele Christen die Kirche verlassen, weil Kirche unter der Ägide von Heinrich Bedford-Strohm und Thies Gundlach nicht mehr Kirche, sondern nur noch grüne Gesinnungsveranstaltung ist, dass sie wirkliche Gottesdienste vermissen und die parteipolitische Verortung der Kirche nicht mehr mitzutragen gewillt sind, kommt den leitenden Funktionären, die das Tragen des Kreuzes inzwischen von Opportunitäten abhängig machen, nicht in den Sinn, und erst recht nicht, dass die hohen Austrittszahlen eine Quittung ihrer Amtsführung sind.
Ohnehin gelten in der EKD diejenigen, die Bedford-Strohms und Gundlachs private Gesinnung nicht teilen, als „Rechte“, die man so schnell als möglich loswerden möchte. Aus der Perspektive der Kirchenfunktionäre gehören noch zu viele Leute der Kirche an, denn man will ohnehin nur noch die Menschen erreichen, die „die kirchliche Arbeit von der Verkündigung über die Diakonie bis zum Rettungsschiff richtig finden und unterstützen wollen“, wie der Chef des Kirchenamtes Thies Gundlach im Interview mit IdeaSpektrum dekretiert. Damit setzt er an die Stelle des Credos das Bekenntnis zu einer wie auch immer konstruierten „ethischen Verantwortung“.
Überhaupt empfindet die EKD die Gemeinden nur noch als Klotz am Bein, als Hindernis auf dem Weg in die strahlende Zukunft. Die Christen in den Gemeinden benötigt man nur noch als Kirchensteuerzahler. So spricht Heinrich Bedford-Strohm im Interview mit der Zeitschrift Zeitzeichen davon, dass man nicht mehr von den „bisherigen Gemeinden, von unserem bisherigen Kirchenleben“ ausgehen darf, denn man müsse schließlich „viel radikaler als bisher hinhören und fragen, was in der Gesellschaft gebraucht wird.“ Die Gemeinde und das bisherige Kirchenleben wird also nicht mehr „gebraucht“? Nicht mehr nach Gott ist also zu fragen, sondern danach, was in der Gesellschaft gebraucht wird, was sich Angela Merkel, Karin Göring-Eckardt und die neue Prophetin der EKD, Greta Thunberg, wünschen. Indem Bedford-Strohm in dem Interview die Frage nicht zuvor klärt, was von wem in der Gesellschaft „gebraucht wird“, beantwortet er sie, denn es geht nicht um die Gesellschaft, sondern um den Klub der Kirchenfunktionäre. ...
A.Rau (Dienstag, 01 September 2020 12:48)
Der Skandal besteht darin, dass der Ratsvorsitzende der EKD alles in der evangelischen Kirche „auf den Prüfstand“ seiner Ideologie stellen möchte. Wenn Bedford-Strohm kraftmeiert: „Jeder und jede muss sich rechtfertigen, ob das, was er oder sie an der Stelle tut, diese Funktion erfüllt oder ob das aus einer Zeit kommt, die ganze andere Herausforderungen hatte“, glaubt man in „1984“ von George Orwell zu lesen.
Rechtfertigen müssen sich Christen aber nur vor Gott, nicht vor Heinrich Bedford-Strohm – und gerechtfertigt sind sie übrigens durch den Glauben und nicht durch die von einer Kirchenleitung geforderten „guten Werke“, nicht durch den Erwerb neuer Ablässe.
In der Tat kommt das Christentum aus einer anderen Zeit. Müssen sich evangelische Christen künftig vor dem Ratsvorsitzenden der EKD oder dem Chef des Kirchenamtes dafür rechtfertigen, dass sie die Zehn Gebote, das Vaterunser, das Glaubensbekenntnis oder Luthers Katechismus ernst nehmen, die allesamt aus „einer Zeit komm(en), die ganze andere Herausforderungen hatte“? Heinrich Bedford-Strohm will das „Neue machen“. Was soll das „Neue“ sein, eine Kirche ohne Gott?
Dass sich der Ratsvorsitzende der EKD von Gott verabschiedet hat, bestätigt er in dem Interview, wenn er sagt: „Wir müssen Abschied nehmen von einem Bild von Gott als einem, der alles unter Kontrolle hat.“ Heißt im Klartext, die Bedford-Strohm-Christen müssen sich von der Vorstellung eines allmächtigen Gottes verabschieden. Aber ein Gott, der nicht allmächtig ist, ist kein Gott, sondern nur noch der theologisch verbrämte Zeigefinger der EKD.
Im Apostolischen Glaubensbekenntnis heißt es unmissverständlich: „Ich glaube an Gott, den Vater,/den Allmächtigen,/den Schöpfer des Himmels und der Erde.“ Was ist an dem Epitheton „allmächtig“ nicht zu verstehen? Mit dem Vatersunser beten wir zu Gott und akzeptieren, dass sein „Wille geschehe, im Himmel wie auf Erden“. Wie will der Theologe an der Spitze der EKD erklären, dass Gott, dessen Willen auf Himmel und Erde geschehe, nicht die Kontrolle über alles hat, wo doch sein Wille geschieht?
Da hilft auch nicht, Dietrich Bonhoeffer aus dem Zusammenhang gerissen und verfälschend zu zitieren, denn der leidende Gott dient dem Menschen als Vorbild, stellt jedoch die Allmacht Gottes nicht in Frage, sondern ist Teil von Gottes Heilshandeln, ist Teil der Freiheit, die Gott den Menschen einräumt, weil er sie nach seinem Bilde geschaffen hat. Man nennt es übrigens Trinität. In dieser Freiheit müssen sich Christen bewähren, aber mit der Freiheit hat es der Ratsvorsitzende der EKD nicht, der zu glauben scheint, prophetisch reden zu können.
Dietrich Bonhoeffer stünde nicht auf Seiten von Heinrich Bedford-Strohm, sondern auf der Seite der Christen, die Bedford-Strohms parteipolitische Vergrünung der Kirche ablehnen und ihr entgegentreten, die es zurecht für eine ungeheuerliche Anmaßung halten, aus Christi Kirche eine NGO und Vorfeldorganisation der Grünen Partei machen zu wollen, in einem Wort: Christi Kirche zu erniedrigen. Dass Bedford-Strohm die Vorstellung des allmächtigen Gottes mit einem Gott verbindet, der „uns an Marionettenbändern führt“, zeigt, dass dem Ratsvorsitzenden das Wesen der christlichen Freiheit, die Freiheit eines Christenmenschen ein Buch mit sieben Siegeln ist. Es ist doch so einfach: In seiner Allmacht gewährt uns Gott die Freiheit und durch die Gnade des Glaubens die Möglichkeit, zu unserem Nutz und Frommen in ihr zu leben.
A.Rau (Dienstag, 01 September 2020 12:50)
In den Leitsätzen kommt deutlich zum Ausdruck, dass die EKD sich nicht mehr für die Gemeindeglieder, sondern nur noch für die „Schwachen, Ausgegrenzten, Verletzten und Bedrohten“ interessiert. Diejenigen, die tagtäglich in ihren Berufen arbeiten, ihre Kinder erziehen und sonntags in den Gottesdienst gehen, die den aufgeblähten Apparat der EKD und die seltsamsten Projekte finanzieren, interessieren die EKD nicht, denn es geht ihr um „geeignete Partner und mögliche Koalitionen auch außerhalb der Kirche“, Partner wie die Grünen, wie Fridays für Future, vielleicht auch die Antifa, um in „gemeinsamen Projekten, herausragenden Events und persönlichen Begegnungen“ zu schwelgen. Folgerichtig wird die Gemeinde „ihre dominierende Stellung als kirchliches Organisationsprinzip“ verlieren und die „traditionellen Sonntagsgottesdienste“ zugunsten der „gelingenden Alternativen gottesdienstlicher Feiern“, wie das Vulven-Malen zum letzten Kirchentag, reduziert.
„Flexible Präsenz von Kirchen an wechselnden Orten wird wichtiger werden als das klassische Modell einer „Vereinskirche“ mit ihren statischen Zielgruppen.“ Doch die „statischen Zielgruppen“ sind die Kirche. Der große Theologe Eberhard Jüngel sagte in seiner Rede auf der Missionssynode der EKD 1999 in Leipzig: „Wenn die Kirche ein Herz hätte, ein Herz, das noch schlägt, dann würden Evangelisation und Mission den Rhythmus des Herzens der Kirche in hohem Maße bestimmen.“ Er verdeutlichte den Gedanken in dem schönen Bild vom Ein- und Ausatmen: „Einatmend geht die Kirche in sich, ausatmend geht sie aus sich heraus.“ Das Einatmen verwirklicht sich für Jüngel im liturgischen Gottesdienst. „Da ist sie um Gottes Wort und um den Tisch des Herrn versammelt, da ist sie gesammelt und konzentriert bei sich selbst.“ In diesem Gottesdienst baut sie sich stets wieder von Neuem auf. Doch das Ausatmen wird für Jüngel zu einer nicht weniger existenziellen Handlung der Kirche. „Die Kirche muss, wenn sie am Leben bleiben will, auch ausatmen können. Sie muss über sich selbst hinausgehen, wenn sie die Kirche Jesu Christi bleiben will.“ Über sich selbst hinauszugehen verlangt auch, mit dem Glauben in die Welt zu gehen.
Doch nicht die Ortsgemeinden, in denen der liturgische Gottesdienst, also das „Einatmen der Kirche“ stattfindet, die übrigens in den Leitsätzen nicht einmal mehr benannt, sondern nur unter „parochiale Strukturen“ abgeheftet werden, bilden nach Ansicht der EKD „das Rückgrat der Kirche“, sondern die „ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter der Kirche“. Diese Auffassung ist aus protestantischer Sicht schlicht häretisch. D.h. sie wäre es, wenn sie in irgendeiner Weise noch etwas mit dem Christentum zu tun hätte. Laut dem Evangelium ist Kirche, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind. Bei Martin Luther lesen wir: „Überdies sind wir ja alle Priester, wie oben gesagt ist, haben alle einen Glauben, ein Evangelium, ein und dasselbe Sakrament.“ Er geht noch weiter, wenn er sagt: „was aus der Taufe gekrochen, das kann sich rühmen, dass es schon zum Priester, Bischof und Papst geweiht ist …“
Die evangelische Kirche lebt eben nicht „von Anregungen durch das Priestertum aller Getauften“, wie es in den Leitsätzen heißt, sondern sie beruht auf dem Priestertum aller Getauften. Welch unvorstellbare Funktionärsarroganz liegt in der Vorstellung, dass die Kirchenfunktionäre über den Gemeindegliedern stehen, die allenfalls nur noch Anregungen geben dürften. Im Gegenteil: Alle evangelischen Christen regieren die evangelische Kirche, auf alle kommt es an! Es ist eine der unumstößlichen Grundlagen der evangelischen Kirche, dass sie aus den Gemeinden heraus entsteht. Wer die Gemeinden angreift, zerstört die evangelische Kirche. Gemeinde ist Ortsgemeinde, da helfen auch die billigen Versuche, den Begriff der Gemeinde in ihr Gegenteil zu verkehren, nicht, wenn von zufälligen Gemeinschaften gesprochen wird, von flexiblen Strukturen, von heute hier, morgen dort. Das ist nicht Kirche, sondern das Blatt im Wind.
A.Rau (Dienstag, 01 September 2020 12:52)
Die Leitsätze haben mit Zukunft so viel zu tun, wie der parteipolitische Kaffeesatz, aus denen sie gelesen wurden, mit dem Satz des Pythagoras. Sie stellen überdies ein trauriges Dokument des Realitätsverlustes der EKD dar, wenn sie zudem von falschen Voraussetzungen ausgehen: „Die Coronapandemie wird unsere Gesellschaft nachhaltig verändern.“ Nichts hat die „Corona-Krise“ von den Problemen, Konflikten und Veränderungen, die wir gegenwärtig erleben, verursacht, allerdings gilt sie als äußerst effektiver Katalysator. Sie beschleunigt gesellschaftliche Prozesse, doch wer nicht nach den wirklichen Ursachen fragt, will sie anscheinend nicht verstehen, dem kommt die Corona-Krise gerade recht, um unter dem Deckmantel der Epidemie seine politische Agenda durchzusetzen. Und die Agenda der EKD ist hoch politisch, sie ist so politisch, dass sie bereits parteipolitisch ist. Es geht der EKD weder um das Christentum, noch um einen christlichen Humanismus, sondern nur noch um einen „Humanismus mit christlichen Wurzeln“, wie Thies Gundlach erläutert. Unter diesen Voraussetzungen steht der Fusion mit der Giordano-Bruno-Stiftung wohl nichts mehr im Wege.
Bedford-Strohms neue Kirche mit beschränkter Glaubenshaftung wird an Atemnot leiden und schließlich ersticken, denn sie verzichtet darauf, die frohe Botschaft des Sieges über den Tod, von der Auferstehung und dem ewigen Leben weiterzutragen. Doch das würde Mission bedeuten, die für Jüngel das Ausatmen der Kirche ist, und von der Mission verabschiedet sich die EKD, denn künftig wird nur noch missionarisches Handeln gefördert, das „partnerschaftlich, dialogisch und situativ vorgeht“. Statt Mission geht es um Anbiederung und um einen Kuhhandel. Die Kirche verzichtet auf „Einwegkommunikation“, will nicht mehr als „Veranstalter“ oder „Anbieter“ auftreten, sondern in „enger und nachhaltiger Abstimmung mit zivilgesellschaftlichen Partnern die eigenen Angebote … profilieren, … konzentrieren und gegebenenfalls …reduzieren.“ Aber Inhalt der Mission kann nur die frohe Botschaft sein. Die frohe Botschaft reduzieren? Wie soll das gehen? In dem man auf die Gottessohnesschaft Jesu, auf die Trinität verzichtet, Jesus zum Propheten „reduziert“, weil man mit muslimischen Partnern zusammenarbeiten möchte oder will man fürderhin die unkontrollierte Masseneinwanderung und die sogenannte Seenotrettung in Kooperation mit der Amadeu Antonio Stiftung zum Inhalt der Frohen Botschaft erklären?
Martin Luther schrieb: „Die Gemeinschaft der Gläubigen ist eine zweifache: Die eine ist innerlich und geistlich, die andere ist äußerlich und leiblich.“ Für ihn stand die innerliche und geistliche ungleich höher, denn sie betraf die Gemeinschaft mit Christus. Die Gemeinschaft mit dem Herrn darf der Christ nicht aufgeben, auch wenn er darüber in den Konflikt mit der äußerlichen Kirche gerät, selbst wenn er deshalb exkommuniziert werden würde. In Ansehung der Leitsätze, so sie beschlossen werden, kann man als evangelischer Christ nur in der Kirche bleiben, wenn man aus der Kirche austritt.
Dieser Artikel ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber einige Denkanstöße gibt er schon.
Gert Flessing (Dienstag, 01 September 2020 17:48)
Ich habe noch einmal über die Person Dietrich Bonhoeffer nachgedacht.
Er kommt aus deutschem Bildungsbürgertum im besten Sinne.
Ich denke, das er theologisch ein Weitdenker war und dennoch liegt in seinem Werdegang, bis hin zu seinem Engagement im Widerstand gegen das NS Regime ein konservatives wesen. Seine Haltung ist zutiefst preußisch, ein preußischer Protestantismus, der sich nicht scheut, da, wo es drauf ankommt, das Leben zu wagen. Gleichzeitig aber voller Weltoffenheit und, im Vertrauen in Gott, gehalten, Kirche als eine Hoffnung zu sehen, die auch das Böse seiner Zeit nicht zerstören kann. Eine Kirche, für die er junge Theologen ausbilden half und ihnen Rüstzeug gab, das auch sie dem Geist der damaligen Zeit widerstehen half.
In einer meiner alten Gemeinden fand ich einen Konvolut von Briefen aus der Zeit der BK.
Eins war Bonhoeffer gewiss nicht. Er war nicht links. Von daher wird ihn wohl auch diese Seite nicht wirklich vereinnahmen können.
Er war ein Mann der Kirche und Kirche ist nicht einzuordnen in Fassetten, die wir so anzulegen pflegen.
Gert Flessing