Was zählt bei meiner Wahlentscheidung? Welche christlichen Werte sind für mich wichtig? Werden diese Werte im Wahlprogramm einer bestimmten Partei aufgegriffen? Scheinen als Grundlage durch?
Sechs evangelische Christinnen und Christen stellen ihre christlichen Werte vor (s.u.) und stellen zur Verfügung, ob und wie sie diese in jeweils einem Wahlprogramm wieder gefunden haben.
Ergänzend wird auch für Rückfragen und Austausch Zeit sein.
Zur Anmeldung ab 21.1.2025.
Wir freuen uns auf Sie/auf Dich!
Aufgewachsen in einer protestantischen Großfamilie, ist mein Menschenbild geprägt von Individualität und Kompromissen zur Kooperation. Menschsein ist für mich, ein Verhandeln von meinem Selbst und dem Du und das Ja, mit Gottes Hilfe. Ich meine, es gibt kein Gut und Böse, Richtig oder Falsch, es ist immer eine Frage des eigenen Blickwinkels, der von der Kultur und den Traditionen um mich herum geprägt ist, ob mir etwas zusagt oder aufstößt. Daraus folgt für mich, dass ich als Mensch niemanden in Schubladen stecken darf, sondern ehrlich und offen in Diskurse gehen will und mich von der Vielfalt der Schöpfung immer wieder überraschen lasse.
So lese ich frei und fromm das Wahlprogramm der SPD und gehe auf die Suche nach dem Menschenbild, was sich für mich finden lässt. Ich möchte beobachten wie eine Partei, die sich „Mehr für dich. Besser für Deutschland.“ auf ihr Programm schreibt, dieses „Dich“ sieht. Wer ist damit gemeint? Fühle ich mich davon angesprochen? Welche Schubladen werden aufgemacht? Und welche Perspektiven bietet diese Partei?
Mein christliches Menschenbild ist von zwei Themen hauptsächlich beeinflusst. Diese sind Konstruktivismus und Gottesebenbildlichkeit. Für mich lebt jedes Individuum in seiner*ihrer eigenen Welt,
zieht eigene Schlüsse, trifft eigene Entscheidungen. Und wir können uns glücklich schätzen, wenn wir es schaffen uns an kleinen Schnittpunkten dieser Welten zu treffen und dann in einen Austausch
zu gehen. Dabei erachte ich alle Menschen als gleichermaßen göttlich. Alle Seiten eines Menschen, egal ob negativ oder positiv konnotiert, tragen etwas Göttliches in sich.
Unter diesen Gesichtspunkten und den daraus, für mich resultierenden Grundsätzen für menschliches Zusammenleben, habe ich das Bundestagswahlprogramm der CDU/CSU gelesen. Mit folgenden
Kernfragen bin ich an die Lektüre gegangen:
Wie stellt ihr euch den Schutz unseres Planeten (Klimaschutz, Frieden) vor?
Wie wollt ihr Gerechtigkeit der Geschlechter und der Vermögensverhältnisse erreichen?
Erfüllt ihr euren christlichen Selbstanspruch, den ihr im Namen führt?
Tief geprägt haben mein Bild von Gott, vom Menschen und von der Welt Lieder von Gerhard Schöne, Rüstzeiten von Menschen mit und ohne körperliche und geistige Beeinträchtigungen, zu denen mich meine Eltern als Kind mitnahmen, Klosteraufenthalte und nicht zuletzt die schrecklichen Erfahrungen von Diktatur und Krieg meiner Großeltern. Meine politische Meinung nährt sich aus Gespräche mit „links-liberalen“ wie „rechts-konservativen“ Menschen guten Willens.
Drei Dinge sind mir auf meinem Weg bisher persönlich wichtig geworden: 1. Den Menschen, dem ich zuhöre, kann ich nicht hassen. 2. Ich möchte die Welt nicht nur durch meine lieblosen, sondern durch die liebevollen Augen Gottes sehen, die in die Freiheit führen. 3. Jedes Leben ist ein Geschenk, über das ich dankbar staune und das mich in die Verantwortung ruft.
Aus dieser ganz persönlichen Perspektive lese ich für „Jenseits der Parolen“ das Wahlprogramm der AfD für die Bundestagswahl 2025. Ich möchte fair und unvoreingenommen bleiben, kann jedoch nicht leugnen, dass es Äußerungen, Verlautbarungen und Verbindungen dieser Partei und ihrer Gremien gegeben hat und gibt, die mich aufgrund ihres martialischen, menschenverachtenden und realitätsleugnenden Tons erschrecken und abstoßen. Diesen Eindruck versuche ich beim Lesen des Wahlprogramms für einen Moment beiseite zulassen. Ich bin gespannt, inwieweit das gelingt und ob ich meine christlich begründeten Vorstellungen von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung darin wiederfinde.
„Was sind denn eigentlich christliche Werte?“ fragen mich oft Schüler:innen im Religionsunterricht. Diese Frage stimmt mich immer nachdenklich. Denn in unserer christlich geprägten Gesellschaft, die zwar säkularisiert ist, lassen sich doch christliche Werte mit humanistischen in Verbindung bringen. So dachte ich, aber zunehmend frage ich mich, ob wir, wenn wir von christlichen Werten sprechen auch dieselben meinen.
Passt es mit christlichem Handeln zusammen, Flüchtlinge an europäischen Grenzen festzusetzen?
Christliche Werte zeigen sich im Handeln. Ich lese das Wahlprogramm der „Die Linke“ unter folgenden Wertvorstellungen und damit verbundenen Fragestellungen:
Gottebenbildlichkeit/Menschenwürde/Nächstenliebe: Wie geht eine der reichsten Gesellschaften mit den Schwächeren um? Wie werden Themen wie Migration, Inklusion, Gleichberechtigung und Umgang mit Vielfalt thematisiert?
Gerechtigkeit und Frieden: Wie gerecht sind Verantwortlichkeiten verteilt (Stichwort „Reichensteuer“)? Können sich Menschen das Lebensnotwendige leisten (Stichwort „bezahlbares Wohnen)? Wer kann gesellschaftlich mitwirken (Bildungspolitik) und wie? Welche friedenspolitischen Konzepte und Visionen existieren?
Bewahrung der Schöpfung: Die Klimakatastrophe ist für mich Realität. Welche Konzeptionen und auch Visionen existieren, um die Erde und die Mitgeschöpfe zu schützen
Freiheit: Gilt die Freiheit des Individuums (Persönlichkeitsrechte) oder auch die Verantwortung für die Gemeinschaft? – Wie kann dieses Gleichgewicht tariert werden?
Für die Veranstaltung „Jenseits der Parolen. Wahlprogramme christlich frei und fromm gelesen“ habe ich mich mit dem Programm des BSW auseinandergesetzt.
Mit welcher Brille habe ich gelesen?
Da das BSW ausdrücklich mit dem Begriff „Gerechtigkeit“ wirbt, habe ich zugrunde gelegt, was ich unter „Gerechtigkeit“ im christlichen Sinne verstehe. Die biblischen Aussagen zu Nächstenliebe, Feindesliebe, die Rolle von Armen, Kranken, Witwen und Waisen, die zentrale Aussage Jesu: „Was ihr einem meiner geringsten Geschwister getan habt, das habt ihr mir getan“ – dies zeigt mir, dass Gerechtigkeit im christlichen Sinne keine Leistungsgerechtigkeit sein kann, sondern einen Anspruch aller Menschen meint.
Ich habe im Wahlprogramm also nach Ansätzen gesucht, die Gesellschaft fürsorglich und solidarisch organisieren wollen.
Ein zweites wichtiges Kriterium ist aus meiner christlichen Perspektive der Mut zur Rede über notwendige gesellschaftliche Veränderungen. Biblische Prophet:innen haben benannt, wo sie ihre Gesellschaften auf Irrwegen sahen und sie haben zu neuen Wegen aufgerufen. In unserer Zeit ist die Notwendigkeit von Wandel nicht mehr zu übersehen – und doch wird vermieden darüber zu sprechen, dass wir uns Änderungen zumuten müssen. Aber diese Messlatte habe ich angelegt: Spricht das Parteiprogramm den notwendigen Wandel an und gestaltet Veränderung?